Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
ich.
»Willst du etwa mein kulturelles Erbe verspotten, Moley?«, sagte er.
Er und Pandora wechselten ein paar Worte auf Mandarin, was sie beide zum Lachen brachte. Als Nicht-Mandarinsprecher fühlte ich mich allmählich ausgeschlossen.
»Soll ich diese Zehennägel tatsächlich essen?«
»Die Zehennägel gelten als Aphrodisiakum«, sagte Pandora.
Als Wayne wieder gegangen war, sagte ich: »Das war gemein, Pandora. Du weißt genau, dass meine Sexualfunktion momentan nicht bei hundert Prozent liegt.«
Sie nahm meine Hand. »Entschuldige, Aidy. Kann ich irgendetwas für dich tun?«
Ich schob meine Entenfußsuppe weg, und sie tat das Gleiche mit ihrer Schale. »Ich möchte dir wirklich gern helfen, wenn ich irgendwie kann.«
»Ist das ein unsittlicher Antrag?«, fragte ich.
»Neulich war ich mit einer Sextherapeutin namens Marsha Lunt essen. Ich könnte dir ihre Nummer besorgen.«
»Nein, danke«, sagte ich knapp.
Ein unbehagliches Schweigen entstand. Beide starrten wir in das Aquarium. Schließlich meinte sie: »Meine Mutter hat neulich ihr Loft dämmen lassen, und beim Ausmisten hat sie eine Kiste gefunden, auf deren Deckel ›Bert Baxter‹ eingraviert ist.«
»Was war drin?«
»Weiß ich nicht. Sie war verschlossen.«
»Ich glaube, ich habe den Schlüssel zu der Kiste gefunden«, sagte ich.
Sie sah mir direkt in die Augen. »Dann müssen wir uns bald treffen, und du kannst deinen Schlüssel in meine Kiste stecken.«
In dem Augenblick brachte Wayne mehrere Schüsseln und arrangierte sie auf der Drehplatte in der Mitte des Tisches. Ich erkannte keines der Gerichte.
»Sieht aus«, sagte ich, »als hätte jemand die Schlachthofabfälle in die Pfanne gehauen.«
»Versuch mal was Neues, erweitere deinen Horizont.« Pandora nahm ihre Stäbchen und warf mit großem Geschick einige Brocken undefinierbaren Essens in eine leere Schüssel. »Das ist das, was die Chinesen selbst essen«, sagte sie. »Komm schon, probier mal!«
Zögerlich nahm ich meine eigenen Stäbchen in die Hand und machte mehrere Versuche, einen schleimigen Klumpen in meinen Mund zu stecken, schaffte aber nur, mir das Essen auf den Schoß fallen zu lassen. Also streckte Pandora den Arm über den Tisch und fütterte mich mit ihren Stäbchen. Ihre Nähe, der Duft ihres Parfüms und der beunruhigende Ausschnitt, den sie trug, machten mir das Schlucken schwer.
Das Essen war gar nicht so übel, aber kein Vergleich zu Hühnchen in Schwarzer Bohnensoße. Ich war froh, als Wayne ein vertrautes Gericht mit Nudeln brachte.
Als wir Waynes ungenießbaren Kaffee tranken und Pandora über die Prostatakrebskampagne sprach, für die sie sich engagierte, und wie ich ihr dabei helfen könne, hörte ich nur halb zu. Ich musterte ihr wunderschönes Gesicht und hatte ein fast unwiderstehliches Verlangen, ihre Haare zu strei cheln und ihr zu sagen, dass ich sie mit dreizehn geliebt hatte, jetzt liebte und sie immer lieben würde.
Später, bei Brandy aufs Haus, erzählte ich ihr von meinen diversen Problemen, von Daisys Unzufriedenheit, dem Schlie ßen der Buchhandlung und dem bevorstehenden Auftritt mei ner Mutter in der Jeremy Kyle Show .
»Ach, ich verehre Jeremy Kyles Sendung«, sagte Pandora. »So bleibt man im Bilde über die Unterschicht, ohne selbst einen Fuß in ihre grauenhaften Sozialsiedlungen setzen zu müssen. Das sehe ich mir auf jeden Fall an.«
»Die Sendung wird wohl vorher aufgezeichnet, aber ich rufe dich an, wenn der Ausstrahlungstermin feststeht.«
»Tu das bitte«, sagte sie, »wir müssen in Verbindung bleiben, ja?«
Ich stimmte ihr zu, dass wir das mussten.
Sie brachte mich nach Hause und fuhr wie eine Irre über die Landstraßen. Wären wir einem Traktor begegnet, hätte das unseren sicheren Tod bedeutet, aber, wie sie sagte, niemand würde um ein Uhr morgens mit dem Traktor durch die Gegend fahren.
Als wir vor dem Haus anhielten, sagte Pandora: »Du solltest besser reingehen, Daisy ist noch auf.« Sie seufzte. »Ich wünschte, auf mich würde jemand warten.«
»Aber du bist so klug und schön. Die Männer müssen sich dir doch zu Füßen werfen.«
»Die meisten Männer schüchtere ich ein«, gab sie zurück. »Und der Rest ist entweder verheiratet, schwul oder manisch-depressiv.«
Tagebuch, sie wirkte so niedergeschlagen, dass ich sie am liebsten in den Arm genommen hätte. Doch ich verabschiedete mich und ging ins Haus. Daisy saß in der Küche. Vor ihr standen ein voller Aschenbecher, eine leere Weinflasche und ein
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