Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
wie ihre jüngere Schwester meinte. Die Geschwister behaupteten, sie hätten nie wieder von Ada Mae und Lucas gehört.
In einem anderen Artikel hatte Brett geschildert, wie Lil Stark ihre Opfer kennen gelernt hatte. Er fand Zeugen, die sie eine Woche vor dem ersten Mord im Yellow Tail mit Morgan Cook gesehen hatten. Leute vom Zoo meinten, Matthew Haines hätte sie nach Nick Fosters Show kennen gelernt. Flughafenmitarbeiter erklärten, ihr Flug nach Chicago zur Konferenz der Ichthyologen und Herpetologen sei etwa um die Zeit abgesagt worden, als John Sprouls’ Jet aus Seattle eintraf. Brett vermutete, Lil Stark habe den Duft von Southern Nights an dem Handelsvertreter wahrgenommen, als er auf den Flughafenbus wartete, der ihn zu seinem Mietwagen bringen sollte, und ihn dann verfolgt. Eine Extrameldung berichtete, der Verkauf des Eau de Cologne »Southern Nights« sei nach Bekanntwerden der Mordserie eingebrochen. Gerüchte besagten, der Hersteller wolle es vom Markt nehmen.
»Eindrucksvolle Berichterstattung«, versicherte ich ihm. »Da werden doch einige Lücken gefüllt.«
»Danke, Moynihan«, sagte er, dann wurde er ernst. »Ist es zu fassen, dass sie jetzt aus dieser Sache Profit schlägt?«
Ich folgte seinem Blick und sah Susan Dahoney, die ziemlich weit hinten im Gerichtssaal saß. Sie trug wie immer ihre Lederjacke und machte sich eifrig Notizen. Wieder hatte sich das alte Sprichwort bewahrheitet, dass schlechte Publicity genauso hilfreich ist wie gute, denn als bekannt wurde, dass die Serienmörderin Lil Stark mir das Geheimnis ihres Vaters erklärt hatte, indem sie das Geheimnis der Zweiten Frau löste, landete Dahoneys Buch in den Bestsellerlisten. Es ging das Gerücht, dass sie in San Diego Recherchen für ein Kapitel über die Morde anstellte, das die Taschenbuchausgabe ergänzen sollte.
Als sie mich sah, lächelte sie verlegen, und ich nickte. Der Gerichtsdiener trat ein. Brett eilte wieder an seinen Platz, und ich wandte mich der Richterbank zu.
»Hältst du das durch?«, flüsterte Christina.
»Wird schon gehen. Und du?«
Sie zuckte die Schultern. »Gott hat uns das aus der Hand genommen, oder?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Wie geht’s deinem Bein?«
»In den letzten drei Wochen gab’s keine Anzeichen einer Infektion. Wenn ich fleißig meine Übungen mache, kann ich in zwei Monaten wieder normal arbeiten. Aber ich frage mich, ob es für mich noch so was wie Normalität geben wird.«
»Alle Wunden heilen irgendwann.«
»Nein, Schwester«, erwiderte ich traurig. »Wenn ich etwas aus diesem Fall gelernt habe, dann, dass so etwas nicht heilt, es bildet nur Schorf.«
Bevor sie antworten konnte, breitete sich ein beklommenes Schweigen aus, denn durch den Seiteneingang kam ein Marshall herein, der einen Rollstuhl vor sich herschob. Ich sah Lil Stark zum ersten Mal seit meiner Rettung, und trotz der Schilderungen ihres Zustands, die mir zu Ohren gekommen waren, war ihr Anblick ein schwerer Schock.
Sie trug blaue Anstaltskleidung und Pantoffeln. Ihr dichtes Haar war jetzt wieder blond wie das ihrer Eltern. Aber sie hatte zehn Kilo abgenommen, ihre Muskeln wirkten schlaff, ihre Haut fahl. Ihr Kopf hing nach links, und ihre rechte Hand zitterte. Ihr Mund stand offen, und sie schien kaum mitzubekommen, was vor sich ging. Aber trotz ihrer Erschlaffung, ihrer ungepflegten Erscheinung und ihrer Teilnahmslosigkeit war sie immer noch schön. Es war, als betrachte man eine kostbare Porzellanpuppe, die einen Sprung bekommen hat, die man aber unwillkürlich bewundern muss.
Der Marshall schob Lils Stuhl neben Chris Whelton, ihren jungen Pflichtverteidiger. Er legte ihr die Hand auf den Arm und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Aber sie reagierte nicht, sondern blickte nur starr in die Ferne.
Der Gerichtsdiener befahl den Anwesenden, sich zu erheben. Richterin Marcia Allen trat ein, eine zart gebaute Frau Anfang fünfzig mit einem scharfen Intellekt und einem sachlichen, zuweilen herrischen Stil. Allen hämmerte auf den Tisch und eröffnete die Sitzung.
»Der Staat Kalifornien gegen Lilith Mae Stark«, verkündete die Richterin. »Angeklagt wegen Mordes in drei Fällen, Entführung und versuchten Mordes in einem Fall. Wir beginnen mit der Anhörung zur Feststellung der geistigen Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten.«
Ich trat als Erster in den Zeugenstand. Sowohl Whelton als auch Staatsanwältin Ruth Harris bombardierten mich mit Fragen über den Kampf, den Lil Stark und ich auf der Nomad’s Chant
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