Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
Mutter, die über das Spielfeld auf uns zukam. Sie trug enge Jeans, Sandalen und einen schönen purpurfarbenen Sweater, der ihr sehr gut stand. Als Stetson mit seinem Jungen wegging, standen wir uns an der Trainerbank gegenüber. Das letzte Sonnenlicht brach durch die Schutzwand und warf ein Schattengitter zwischen uns.
»Es geht ihm offenbar besser«, sagte ich. »Christina hat anscheinend was erreicht bei ihm.« Fay lächelte matt. »Es ist nicht gut, wenn man etwas so in sich hineinfrisst. Du brauchst nur ein Wort in der Richtung zu sagen, schon spürst du, wie viel Druck da auf ihm lastet.«
»Scheint eine größere Geschichte zu sein«, sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich wollte es dir nicht auf diese Weise mitteilen«, fing sie an. »Ich meine den Grund für das ganze Problem.«
»Spuck es aus«, sagte ich. »Lass den Druck ab.«
Fay lächelte so traurig wie Jimmy. »Erinnerst du dich, wie vor zwei Wochen alles angefangen hat? Das Theater auf dem Mound?«
»Ja.«
»Also, es hat sich herausgestellt, dass er an dem Abend vor dem Spiel eine Stunde, nachdem ich bei ihm das Licht ausgemacht habe, nochmal aufgestanden ist, um einen Schluck Wasser zu trinken. Und da hat er mich und Walter gehört.«
»Wenn er euch im Bett erwischt hat, will ich lieber nichts davon hören.«
»Nein, das war’s nicht«, sagte sie. »Er, äh, … na ja, er hat gehört, wie Walter mich gefragt hat, ob ich ihn heiraten will. Und er hat gehört, dass ich ja gesagt habe.«
Das hatte ich schon seit fast einem Jahr erwartet. Trotzdem traf es mich in seiner Endgültigkeit wie ein Schlag. »Bist du glücklich?«
»Ja«, antwortete sie, sah mich aber nicht an dabei.
»Kein Bedauern?«
»Und wie.« Tränen strömten über ihr Gesicht, und sie fiel mir in die Arme.
So lange war es schon her, dass wir uns zuletzt umarmt hatten. Die Erinnerungen brachen über mich herein: Wie ich sie als Streifenpolizist in der Notaufnahme kennen gelernt hatte; wie wir auf dem alten Boot ihres Vaters durch die Wellenbrecher gesegelt waren und sie gesagt hatte, sie liebe mich; wie sie mir gesagt hatte, sie sei schwanger; wie ich zum ersten Mal Jimmy gehalten hatte. Ihren Gesichtsausdruck, wenn ich wieder einmal den Geruch einer anderen Frau mitbrachte. Und am allerschlimmsten: Der Tag, an dem sie mir gesagt hatte, sie könne nicht mehr mit mir zusammenleben.
»Ich wünschte, ich hätte es besser gemacht«, sagte ich.
»Ich auch«, sagte sie, trat zurück und wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab.
»Du hast also mit Jimmy geredet«, sagte ich.
»Und mit deiner Schwester«, antwortete sie. »Er hat wahrscheinlich insgeheim gehofft, wir würden eines Tages wieder zusammenkommen.«
Ich zögerte einen Augenblick, bevor ich sagte: »Irgendwie habe ich das auch immer geglaubt.«
Sie legte mir die Hand auf den Mund und flüsterte: »Ich weiß. Aber ich kann nicht.«
Ich nickte und sah sie forschend an, wie die Karte eines Landes, in dem ich einmal gelebt hatte. »Aber es ist okay für ihn? Jimmy, meine ich?«
»Ich habe ihm, so gut es geht, die Wahrheit gesagt«, meinte sie. »Dass ich meinen Frieden mit dir gefunden habe, auch wenn ich vielleicht nie verstehen werde, warum du getan hast, was du getan hast. Wir hatten so lange eine schöne Zeit, Shay. Und dann wurdest du angeschossen, und alles war anders.«
»Fay … «
»Pscht«, sagte sie. »Ich habe dir doch gesagt, ich bin darüber hinweg. Ich weiß, dass du dir viel Mühe gibst, meistens. Wir drei werden immer irgendwie zusammengehören, habe ich zu Jimmy gesagt. Aber wir müssen auch Walter einen Platz einräumen. Ich schätze ihn sehr, Shay. Ich brauche ihn in meinem Leben.«
Mit einem Kloß im Hals sagte ich: »Okay.«
Sie lächelte. »Jimmy sollte das auch von dir hören.«
»Wir gehen Sonntag zusammen angeln. Ohne Wenn, Aber und Vielleicht.«
»Gut«, antwortete sie. Es trat eine verlegene Pause ein, sie drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verschwand.
Es war auf einmal ganz still, und ich beobachtete, wie sich das letzte Licht des Tages in der Schutzwand brach und den Staub sichtbar machte, der nach dem Spiel immer noch in der Luft lag. Die Spielerbank versank in fahlen, gelben Schatten. Etwas Knisterndes lag in der plötzlichen Ruhe, wie kurz vor einem Sturm. So muss die Stimmung draußen in den Ebenen von Kansas sein, dachte ich, wenn sich ein Tornado zusammenbraut.
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Mein Handy klingelte. Wahrscheinlich Missy mit einer Lagemeldung
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