Toxin
in Anspruch genommen als erwartet.«
»Dann hätten Sie eben meinen Mann zuerst operieren sollen«, giftete Mrs. Arnold. »Sie haben mich hier den ganzen Tag warten lassen, ohne mir zu sagen, was los ist. Ich bin mit den Nerven am Ende.«
Nachdem er sich bis jetzt wacker beherrscht hatte, verlor Kim nun endgültig die Fassung. Er verzog sein Gesicht zu einem ungläubigen Grinsen.
»Grinsen Sie mich nicht so an, junger Mann!« fuhr Mrs. Arnold ihn prompt an. »Die Ärzte sitzen heutzutage auf einem viel zu hohen Roß. Sonst würden Sie nicht davon ausgehen, daß wir normalen Leute nichts Besseres zu tun haben, als den ganzen Tag hier herumzusitzen und zu warten!«
»Tut mir leid, daß mein OP-Zeitplan Ihnen nicht in den Kram gepaßt hat«, entgegnete Kim. »Wir tun unser Bestes.«
»Soll ich Ihnen mal erzählen, was außerdem noch passiert ist?« ereiferte sich Mrs. Arnold weiter. »Irgend so ein Verwaltungsmensch von AmeriCare ist hier aufgekreuzt und hat mir mitgeteilt, daß die Krankenversicherung für den ersten Krankenhaustag meines Mannes nicht aufkommen wird. Er hat behauptet, mein Mann hätte erst heute morgen eingewiesen werden sollen, am Operationstag, und nicht schon einen Tag vorher. Was sagen Sie nun?«
»Es ist immer das gleiche mit der Verwaltung«, entgegnete Kim. »Wenn jemand so krank ist wie Ihr Mann, kann ich ihn nicht guten Gewissens erst am Operationstag einweisen.«
»Jedenfalls will AmeriCare nicht zahlen«, beklagte sich Mrs. Arnold. »Und wir können nicht zahlen.«
»Wenn es so ist, übernehme ich die Kosten«, versprach Kim. Gertrude fiel die Kinnlade herunter. »Wirklich?«
»So etwas ist schon öfter passiert, und ich übernehme die Kosten nicht zum ersten Mal«, erklärte Kim. »Und nun zu Ihrem Mann. Er wird gleich auf die Aufwachstation gebracht. Dort bleibt er, bis sich sein Zustand stabilisiert hat, und anschließend wird er auf die Herzchirurgie-Station gebracht, wo Sie ihn dann auch besuchen können.«
Er wandte sich um, ging in Richtung Tür und tat so, als würde er nicht hören, daß Mrs. Arnold seinen Namen rief. Er ging über den gleichen Flur zurück und betrat den OP-Aufenthaltsraum, in dem ein paar OP-Schwestern und Anästhesisten ihre Pause verbrachten. Kim nickte den ihm bekannten Gesichtern freundlich zu. Da er erst seit der Zusammenlegung vor sechs Monaten im University Medical Center arbeitete, kannte er noch lange nicht die gesamte Belegschaft, und erst recht nicht die der Abend- und Nachtschicht.
Er stürmte durch die Tür, die in den Männerumkleideraum führte, zog sich die OP-Jacke aus und schleuderte sie wütend in den Wäschekorb. Dann setzte er sich auf die Bank vor den Schließfächern und entfernte die Uhr vom Bund seiner OP-Hose. Tom hatte gerade geduscht und war dabei, sich sein Hemd anzuziehen.
»Früher hatte ich immer eine gewisse Euphorie verspürt, wenn ich gerade eine Operation beendet hatte«, sagte Kim. »Heute plagt mich eher so ein komisches, unterschwellig mulmiges Gefühl.«
»Kommt mir bekannt vor«, pflichtete Tom ihm bei. »Korrigier mich, wenn ich falsch liege«, fuhr Kim fort. »Unser Job hat doch wirklich mal mehr Spaß gemacht.« Tom wandte sich vom Spiegel ab und lachte. »Entschuldige, daß ich lachen muß. Aber du redest, als hätte man dir gerade die Augen geöffnet.«
»Ich rede nicht von Geld«, erklärte Kim. »Ich denke an all die anderen kleinen Dinge. Zum Beispiel, daß man von den Schwestern und Pflegern respektiert und von den Patienten geschätzt wird. Heutzutage kann man nicht mal mehr das erwarten.«
»Die Zeiten ändern sich«, stimmte Tom ihm zu. »Das liegt vor allem am gewinnorientierten System der Krankenversorgung. Und die Regierung bläst ins gleiche Horn, um uns Fachärzten das Leben schwerzumachen. Manchmal stelle ich mir vor, daß einer von den verantwortlichen Bürokraten wegen einer Bypassoperation zu mir kommt und ich den Eingriff von einem praktischen Arzt durchführen lasse.«
Kim stand auf und zog seine OP-Hose aus. »Das Traurige und Aberwitzige ist, daß all das ausgerechnet jetzt passieren muß, wo die Herzchirurgie den Menschen mehr zu bieten hat denn je.« Er wollte gerade seine Hose in den Wäschekorb neben der Tür werfen, als die Tür aufging und Dr. Jane Flanagan, eine der Anästhesiologinnen, ihren Kopf durch den Spalt steckte. Als sie Kim in der Unterhose sah, stieß sie einen Pfiff aus. »Um ein Haar hätten Sie meine durchgeschwitzte Hose an den Kopf gekriegt«, rief Kim ihr
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