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Tränen aus Gold

Tränen aus Gold

Titel: Tränen aus Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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verzerrtes Gesicht beugte. »Wenn nicht, dann hast du keinen Arm mehr, den du zum Mund führen kannst. Ist das klar?«
    Der Verletzte nickte bestätigend, als Quentin sich entfernte. Elise begriff sofort, was ihr Vetter seinen Spießgesellen damit zu verstehen geben wollte. Auch in seiner Abwesenheit sollte keiner es wagen, sich ihr in unziemlicher Weise zu nähern. Dafür wenigstens schuldete sie ihm Dank.
    Im Vorübergehen steckte Quentin die Fackel in eine leere Halterung und winkte ihr, ihm zu folgen. »Hier entlang.«
    Widerstrebend folgte Elise ihm über eine breite Treppe hinunter, bis sie vor den Eisenstäben einer dunklen Zelle stehen blieben. Quentin öffnete mit einem schweren Schlüssel das massive Schloß und ließ die Tür aufschwingen.
    »Euer Gemach, Mylady.«
    Da sie nicht wußte, was sie in dem dunklen Nichts erwartete, betrat Elise die Zelle mit größter Vorsicht. Unschlüssig drehte sie sich zu Quentin um, und er löste ihre Handfesseln, ehe er die Tür schloß. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf eine Ecke der Zelle, die völlig im Dunkeln lag. Elise, die flüchtig hinsah, konnte nur das Fußende einer Liegestatt erkennen.
    »Dein Vater müßte bald aufwachen. Er hat nur ganz wenig von dem Schlaftrunk bekommen.«
    Mit einem erstickten Aufschrei flog Elise an das schmale Lager und tastete nach der lang gestreckten, dürren Gestalt, die sie in der Finsternis nicht erkennen konnte.
    »Quentin, bitte, eine Kerze!« bat sie schluchzend.
    »Wie Ihr wünscht.« Er nahm die Fackel und steckte sie auf einen Ständer.
    Mit äußerster Behutsamkeit ließ Elise sich auf den Rand der Liegestatt sinken und starrte das bärtige Gesicht des Schlafenden an. Trotz des dichten Bartes war kein Zweifel möglich. Als sie die eingefallenen Züge und ausgezehrten Hände sah, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sein Atem war kaum spürbar, und als sie voller Angst sachte seinen Arm bewegte, rührte er sich nicht.
    Quentin rief einem seiner Leute zu, er solle einen Krug Wasser und einen Lappen bringen. Ein kleiner Mann kam der Aufforderung eilig nach und durfte die Zelle kurz betreten.
    »So, das wär's, Mylady«, sagte er und stellte den Krug auf einen primitiven Tisch neben dem Bett. »Damit Ihr ihm den Schlaf aus dem Gesicht waschen könnt.«
    Sofort benetzte Elise das Tuch mit Wasser und fing an, das bärtige Gesicht zu waschen. Langsam kam ihr Vater zu sich. Erst drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen und blickte suchend um sich, als tauche sein Bewußtsein aus dunklen Tiefen auf. Sein Blick fand Elise, und seine trockenen Lippen bewegten sich. Besorgt beugte sie sich über ihn, als er wieder etwas zu sagen versuchte.
    »Elise?«
    »O Papa!«
    Mit tränenumflortem Blick seufzte er: »Meine Elise…«

32
    Im Empfangsraum von Sir Francis Walsingham, Erster Minister der Königin und Großmeister des Hosenbandordens, befanden sich so viele Persönlichkeiten von Rang und Bedeutung, daß der Raum, obschon durchaus geräumig, beängstigend eng wirkte. Neben Rittern in silbernen Brustpanzern, Herzögen in pelzbesetzten Mänteln und Earls in kunstvoll bestickten Wamsen wirkte Maxim, dessen Kleidung sich durch dezenten Geschmack auszeichnete, vergleichsweise bescheiden, ebenso Sir Francis, der in schlichtem Schwarz erschienen war. Der Minister hatte seine Mittagsruhe hinter sich und begab sich nun in sein Vorzimmer, um vor Beginn der Nachmittagsgeschäfte ein paar zwanglose Gespräche zu führen. Er ging sofort auf Maxim zu, dessen Erfahrung, Stellung und Klugheit er wohl zu schätzen wußte. Gespannt, wie es um die Ermittlungen bestellt war, bat Sir Francis ihn, ihm gründlich über alles Bericht zu erstatten.
    »Wir konnten uns eine Beschreibung des Anwalts verschaffen, der nach Newgate kam«, begann Maxim seinen Bericht. »Und wir machten eine der Hofdamen ausfindig, die tatsächlich die Ermordete einige Wochen vor ihrem Tod mit ihrem Liebhaber sah. Die Beschreibung, die sie uns lieferte, deckt sich fast vollständig mit jener, die wir von den Gefängniswachen erhielten. Groß. Dunkelhaarig. Dunkle Augen. Gutaussehend. Es muß ein und derselbe Mann sein. Vielleicht glückt es uns, sogar den Namen herauszubekommen. Die Hofdame führte uns zu einem Pagen, der der Ermordeten einige Botschaften von einem Mann überbrachte. Zufällig handelt es sich um einen Pagen mit ausgezeichnetem Namensgedächtnis, dem alle Namen bei Hof geläufig sind sowie auch die Namen jener, die mit dem Hofstaat in Verbindung stehen. Wir

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