Tränen aus Gold
dem Gesicht nach unten den ganzen Weg entlang. Und jetzt verschwinde!«
Verächtlich schnaubend zog sich Forsworth zurück, bestieg sein Pferd und sprengte, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, davon.
Elise atmete auf. Als Quentin sich ihr zuwandte, verriet sein schmerzlicher Blick, wie tief er verletzt war. »Die Sache mit Cassandra und Onkel Bardolf bedaure ich sehr«, versuchte sie ihn zu trösten.
»Ich hätte es mir denken können«, seufzte er schon etwas gefasster. »Zuweilen wünschte ich, sie wäre nicht meine Mutter.«
Elise legte sanft die Hand auf seinen Arm. »Ich danke dir, daß du zur Stelle warst«, murmelte sie, von echter Dankbarkeit erfüllt.
Quentin verbeugte sich vor ihr. »Madame, es war mir ein Vergnügen.«
»Aber wie kommt es, daß du hier bist?« wollte sie wissen. »Wie hast du mich gefunden?«
»Im Haus erfuhr ich, daß du im Garten bist. Und als ich mich auf die Suche machte, hörte ich das Hundegebell.« Quentins Lächeln verschwand. »Ich kam, um dir zu sagen, daß ich dahinter gekommen bin, wo dein Vater gefangen gehalten wird«, erklärte er ernst.
»Wo?« kam es tonlos von ihren Lippen.
»Der Weg läßt sich nur schwer erklären, du mußt mit mir kommen.«
»Maxim ist nicht da, und ich habe ihm hoch und heilig versprochen, das Haus nur in Begleitung zu verlassen«, wandte Elise ein.
»Gerüchten zufolge planen die Entführer, Ramsey fortzuschaffen, vielleicht sogar wieder außer Landes zu bringen. Die Zeit läuft gegen uns. Er könnte jetzt schon unterwegs zu einem wartenden Schiff sein. Wenn du dich damit aufhältst, dir eine Eskorte zu sichern, könnte es zu spät sein. Ich habe Lord Seymour nach London eine Nachricht geschickt und ihn von allem unterrichtet.«
»Aber woher soll Maxim wissen, wo ich bin, wenn ich jetzt mit dir gehe?«
»Er kennt die Gegend so genau, daß er den vereinbarten Ort finden wird. Den Rest des Weges kann ich ihn führen.«
»Aber was nützt meinem Vater mein Kommen? Wie könnte ich ihm helfen?«
»Du könntest seinen Entführern sagen, daß der Schatz schon unterwegs ist, daß dein Gemahl ihn bringen wird, um deinen Vater loszukaufen.«
Elise verspürte ein sonderbares Kribbeln im Nacken. Von weitem vernahm sie Annes Stimme, die sie rief. Argwöhnisch fragte sie: »Warum sollte Maxim den Schatz herbeischaffen?«
»Angeblich soll er wissen, wo sich der Schatz befindet. Es erscheint mir nur recht und billig, daß er Ramsey damit loskauft.«
Elise wurde von heftigen Zweifeln befallen. Wie kam es, daß Quentin dies alles wußte? Woher hatte er die Kenntnisse über Maxim und den Schatz, wenn nicht von einer der Hofdamen?
»Anne ruft mich. Ich muß zu ihr.« Mit Bedacht entfernte sie sich ganz langsam, Schritt für Schritt, von Quentin. »Außerdem muß ich mich umziehen und mein Pferd satteln lassen. Wir treffen uns vor dem Haus.«
Quentin folgte ihr auf dem Fuße. »Elise, ich nahm mir die Freiheit, deine Stute bereits satteln zu lassen. Sie steht drüben bei meinem Pferd. Du mußt augenblicklich mitkommen.«
»Nein, Quentin, erst muß ich mich umziehen«, beharrte sie und zwang sich, das Beben in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Anne wird sich meinetwegen Sorgen machen.«
Da spürte sie seine feste Hand auf ihrer Schulter. Das Herz schlug ihr bis zum Halse. »Elise, ich muß darauf bestehen, daß du auf der Stelle mitkommst.«
Da fing sie zu laufen an, ganz plötzlich, so daß Quentin im ersten Moment verdutzt stehen blieb. Als er erfasste, daß sie ihm entwischen wollte, fluchte er halblaut vor sich hin und setzte Elise nach. Er hatte sie rasch erreicht. Ihr den Mund zuhaltend, flüsterte er ihr ins Ohr: »Elise, ob du dich nun wehrst oder nicht, du kommst mit mir. Du muß deinen Vater zur Vernunft bringen. Er zeigt sich halsstarriger, als für ihn zuträglich ist.«
Ihre Antwort wurde von seiner Hand erstickt. Wieder setzte sie sich mit aller Kraft gegen ihn zur Wehr. Ihr war jetzt klar, daß Quentin der verhasste Entführer war. Sie hatte ihm echte Zuneigung entgegengebracht und konnte sich jetzt nicht genug wundern, wie gründlich sie sich hatte täuschen lassen.
31
War die schöne Elise für Maxim anfangs ein Stachel im Fleisch, so präsentierte sie sich Quentin jetzt als spitzer Pfahl. Es kostete ihn sehr viel Kraft, sie in seine Gewalt zu bringen, ohne daß man auf Bradbury Hall etwas von den Vorgängen merkte. Fluchend riß er seine Hand von ihrem Mund los und begutachtete die halbkreisförmige Biss-Spur im Fleisch.
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