Tränen aus Gold
rotbraune Haare, die wellend über spärlich bekleidete Brüste fielen. Das Bild ihrer Schönheit hörte nicht auf, ihn zu verfolgen. Er saß in der Falle. Die lange Enthaltsamkeit hatte ihn an die Grenze seiner Zurückhaltung getrieben, und nur mit äußerster Willensanstrengung hatte er das Verlangen unterdrückt, sie in die Arme zu nehmen und zum Bett zu tragen. Daß er so heftig reagiert und ihr mit Vergewaltigung gedroht hatte, schmerzte ihn jetzt.
Maxim zwang seine abschweifenden Gedanken zu seiner ehemals geliebten Arabella zurück. Niemand konnte abstreiten, daß Arabella von Natur aus das Idealbild eines Edelfräuleins von nobler Schönheit war. Wie oft hatte er in Erinnerungen an sie geschwelgt! Jetzt aber mußte er entdecken, daß er sich nur mit Mühe ihre Anmut, das Bild ihrer grauen, sanften Augen und ihre hellbraunen Locken ins Gedächtnis zu rufen vermochte. Die Bilder blieben verschwommen und undeutlich und bewegten nichts mehr in seiner Brust. Wie recht hatte Nikolaus doch gehabt, während er selbst überzeugt war, eine rasende Leidenschaft habe sie beide erfasst! War es in Wahrheit sein Drang nach Vergeltung, der ihn bewogen hatte, Arabella entführen zu lassen?
Wieder überfielen ihn Bilder von Elise… von der zornigen Elise, von der schlafenden Elise, von der Elise, die ihm hitzige Wortgefechte lieferte…
Unwillig mußte er sich eingestehen, daß er sie heftig begehrte, und dennoch kämpfte er dagegen an. Wer war dieses Mädchen, das sich in sein Leben gestohlen hatte, das ihn ständig reizte, das stets seine Geduld auf die Probe stellte, das all seine Pläne durchkreuzte? Er war ein Heimatloser, ein Ausgestoßener, und wenn er wieder den ihm gebührenden Platz einnehmen wollte, mußte er seine Angelegenheiten in Ordnung bringen, und wenn es ihn das Leben kostete. Er hatte keine Zeit, sich mit Sehnsüchten nach einer widerspenstigen und halsstarrigen Frau abzugeben.
Sein schwarzer Hengst, der die Anspannung seines Reiters spürte, fing unruhig zu tänzeln an. Maxim stieß die Fersen in die Flanken des Tiers und sprengte los. Eine Zeitlang folgte er dem ebenen Gelände am oberen Rande eines Felsabsturzes. Dann senkte sich der Rücken allmählich, und Maxim durchritt einen ausgedehnten Nadelwald. Der von den steilen und einengenden Klippen befreite Strom bildete am anderen Ufer einen morastigen Weiher, von eisverkrusteten Sträuchern und Gräsern bestanden, die unter den hellen Sonnenstrahlen funkelten und glitzerten.
Er trieb den Hengst über eine kleine Furt und band ihn, nachdem er am anderen Ufer abgestiegen war, an eine alte Eiche, die ihre kahlen Äste über eine kleine Lichtung breitete. Dann nahm er den Bogen vom Rücken, legte einen stumpfen Pfeil ein und schlich sich mit geübtem, lautlosem Schritt an den Weiher. Im offenen Gewässer am Rande des Schilfgürtels schnatterten Gänse. Er spannte den Bogen und ließ den Pfeil losschnellen. Ein Gänserich flatterte auf und trieb im nächsten Augenblick auf der von der Brise gekräuselten Wasseroberfläche mit ausgebreiteten Schwingen dahin.
Maxim holte das Tier, band die Beine mit Lederstreifen zusammen und befestigte seine Beute am Sattel. Eine Bewegung zwischen den Bäumen am anderen Ufer fesselte seinen Blick, und als er das niedrige Strauchwerk am Ufer absuchte, trat ein Hirsch heraus, hob prüfend die Nase und senkte das Haupt, um aus dem Fluss zu trinken. Die Strahlen der höhersteigenden Sonne erhellten die Nebel und schienen die Wirkung der Farben zu steigern. Maxim ließ sich auf ein Knie nieder, legte einen scharfen Pfeil ein und zielte unter Eddys Hals hindurch. Der Hirsch tat einen kleinen Sprung und brach, mitten ins Herz getroffen, zusammen.
Nachdenklich betrachtete Maxim sein Beutestück. War er nicht auf der Hut, dann würden auch ihn ihre grausamen Pfeile treffen. Ja, sie würde ihn ebenso an der Nase herumführen wie von Reijn, diesen armen Tölpel.
***
Elise stand, die Arme in die Hüften gestützt, in der großen Halle und wartete. Sie hatte sich darauf eingestellt, dem Marquis eine Lektion zu erteilen, und mußte nun enttäuscht feststellen, daß er nicht da war.
»Und wohin hat Lord Seymour sich zu so früher Stunde begeben?« wollte sie von Fitch wissen.
»Seine Lordschaft ist auf Jagd. Er will die Speisekammer für den Koch mit frischem Wild füllen«, erwiderte er. Er kannte das Mädchen nun gut genug, um zu spüren, wenn sie verärgert war. Er nahm einen Anlauf, um ihre Stimmung zu heben. »Ihr könnt
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