Tränen aus Gold
gesagt, diese schreckliche Tragödie wäre nicht so weit gediehen.«
»Ich hatte keinen Grund anzunehmen, daß Fitch und Spence sich geirrt haben könnten«, erklärte der Hansekapitän. »Da ich der Meinung war, Ihr seid die Braut eines anderen, habe ich versucht, so kühl und unpersönlich als möglich zu bleiben.« Er senkte den Blick und strich mit dem Daumen über die weiche Haut ihrer Hand. »Ich habe es nicht geschafft.«
Elise warf Maxim einen erbosten Blick zu, denn er hob hinter Nikolaus' Rücken die Hände und applaudierte. Was hätte sie nicht alles getan, um ihm dieses spöttische Grinsen auszutreiben!
»Nikolaus?« Ihre Stimme war weich und honigsüß, so daß der Kapitän ruckartig aufblickte und ihr tief in die Augen sah. »Lord Seymour sprach zu mir von Eurem Wunsch, und ich bin sehr erfreut, daß ein Gentleman wie Ihr mich aufsucht.«
»Ich habe Euch ein Geschenk mitgebracht«, sagte Nikolaus und lächelte selig. Er sprang auf und lief durch die Halle. Er wickelte eine große in Stoff gehüllte zylindrische Rolle aus und breitete vor Elise einen luxuriösen türkischen Teppich aus. »Für Eure Gemächer, damit Ihr keine kalten Füße bekommt.«
»Oh, Nikolaus, was für ein seltenes und kostbares Stück, das Ihr mir da schenkt.«
»Für eine seltene und schöne Dame«, kam es halblaut über seine Lippen.
»Eure Großzügigkeit überwältigt mich. Leider kann ich mich nicht revanchieren.«
»Eure Gesellschaft ist für mich das schönste Geschenk.«
Maxim erhob sich verärgert. »Jetzt höre ich Euer Süßholzraspeln schon lange genug«, sagte er unwirsch. »Ich reite mit Eddy aus und weiß nicht, wann ich wiederkomme.«
»Lass dir ruhig Zeit«, erwiderte Nikolaus, dem dieser Abgang sehr willkommen war. »In deiner Abwesenheit wird es uns an Gesprächsstoff nicht mangeln.«
»Kann ich mir denken!« gab Maxim mit unüberhörbarem Sarkasmus zurück. Er schritt durch die Halle, stieg die zwei Stufen zur Tür hinauf und ging durch das massive Portal hinaus. Sein überstürzter Abgang entlockte Elise ein Lächeln der Genugtuung.
»Der Ärmste. Er hat noch immer Arabella im Sinn«, seufzte sie. Dann galt ihre Aufmerksamkeit wieder dem Hansekapitän. »Nun, berichtet mir, Nikolaus, wie es um meine Investition steht.«
***
Als Maxim spätabends heimkehrte, traf er Fitch und Spence Rücken an Rücken auf einer Bank vor dem Kamin sitzend an. Jeder behielt eine Hälfte der Halle wachsam im Auge, einen Knüppel griffbereit, nur für den Fall, daß sich das Gespenst zeigen sollte, von dem der Kapitän gesprochen hatte; als der Hausherr die Tür aufstieß, sprangen sie erschrocken auf und schrien.
»Aufhören!« brüllte Maxim. »Ihr weckt ja die Toten auf! Hier gibt es keine Gespenster!«
Maxim zog seine Handschuhe aus. »Wenn ihr wollt, könnt ihr in der Kammer hinter dem Stall schlafen, wenn ich da bin. In meiner Abwesenheit müßt ihr in der Halle nächtigen und das Mädchen beschützen.«
»Sehr wohl, Mylord.«
Die Diener rafften Strohsack und Knüppel an sich und rannten über den Hof. Maxim durchquerte die Halle und ging zur Treppe. Nach dem langen Ritt war er durchgefroren bis auf die Knochen und mußte ein Frösteln unterdrücken.
Ein schwankendes Licht im ersten Stock weckte seine Aufmerksamkeit. Elise stand in ihrer Tür und hob sich vor dem Hintergrund des Kaminfeuers wie eine Silhouette in der Tür ab. Eine Decke hatte sie um ihre Schultern gewickelt, unten sah der spitzenbesetzte Saum ihres Unterrockes hervor. Ihre kleinen, schmalen Füße waren nackt und mußten so kalt sein wie der Steinboden, auf dem sie stand.
»Was ist passiert?« fragte er und ging auf sie zu.
»Ich hatte einen Traum«, flüsterte sie ängstlich, wobei sie um sich blickte, als müßte sie versuchen, Wirklichkeit und Traum zu trennen. »Ich träumte, daß mein Vater einen Kamin hinaufgezogen wurde. Der Rauch war so stark, daß er kaum atmen konnte. Man folterte ihn.«
Maxim streckte die Hand aus und strich ihr eine Locke aus der Wange. »Nikolaus hat Euch von den Riten der Hanse erzählt…«
Verwirrt blickte sie zu ihm auf. »Sehen so ihre Riten aus?«
Maxim seufzte. »Ihre Initiationsriten unterliegen der Geheimhaltung, aber Nikolaus fühlt sich daran nicht immer gebunden… aber Ihr friert ja«, sagte er, als sie fröstelte, und stieß die Tür ihres Schlafgemaches auf. Die Flammen im Kamin waren heruntergebrannt. »Wenn Ihr gestattet, Madam, will ich etwas Holz nachlegen.«
»Wir Ihr wollt«, gab sie
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