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Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)

Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)

Titel: Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianca Balcaen
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jeder machte sich seine eigenen
Gedanken, wie eine indische weiße Hexe wohl aussehen würde. Die Fahrt bis zur
Inselmitte verlief ruhig. Amy, die am Fenster saß, genoss die vorbeifliegende
Landschaft und Michaels Hand, die zärtlich ihren Nacken streichelte. Jais
Gesicht war so ausdruckslos wie immer. Es verriet absolut nichts.
    Als Pokerspieler würde er mit
Sicherheit eine Menge Geld verdienen. Im Gegensatz zu Sébastiens Gesicht, auf
dem sich seine ganze Ablehnung gegen diesen bizarren Fall ausdrückte. Ab und zu
murmelte er etwas Unverständliches vor sich hin. Keiner achtete großartig
darauf.
    Denn jeder kannte ihn und seine
mitunter burschikose Art. Außer Malee, die jedes Mal, wenn das Wort Guck über
seine Lippen kam, zusammenzuckte und ihn mit einem irritierten Blick ansah.
    Was Sébastien in keinster Weise
daran hinderte, weiter vor sich hinzumurmeln. Alleine der Gedanke, bald einer
Hexe gegenüberzustehen, löste ein beklemmendes Gefühl in ihm aus. Es beschwor in
seinem Innersten wieder die Schmach seiner verlorenen Männlichkeit und seines
sinnlosen Lebens herauf, das seitdem ohne Liebe war.
    Dieses Wort hatte er aus seinem
Vokabular und vor allem aus seinem erkalteten Herzen unwiderruflich gestrichen.
Das alles hatte er der alten indianischen Hexe, die seine Frau Amaru damals
angestachelt hatte, zu verdanken.
    »Ich hoffe«, sagte Malee in
diesem Moment mit einem Seitenblick auf Sébastien, »dass keiner von Ihnen Angst
vor Affen hat. Denn wo Nahla sich aufhält, ist auch ihr kleines Macacaäffchen
nicht weit entfernt.«
    »Super! Darauf hat die Welt
gewartet«, erwiderte Sébastien bissig. »Eine orakelnde Hexe mit einem Affen auf
der Schulter. Das macht meinen Tag perfekt.«
    Jai, der bis jetzt ziemlich
schweigsam gewesen war, schlug sich auf die Schenkel und brach in röhrendes
Gelächter aus. Amy wandte sich an Malee und tätschelte ihr beruhigend die Hand.
    »Nehmen Sie es ihm nicht übel. Im
Grunde seines Herzens ist er ein guter Mensch.«
    »Tatsächlich?« Aus den
Augenwinkeln beäugte Malee ihn stirnrunzelnd von oben bis unten.
    Unterdessen hatten sie fast die
Mitte der Insel erreicht. Der Geländewagen begann jetzt bedenklich zu kippen,
als Kukrit ihn in die Furt des Wasserlaufes und um die darin liegenden großen
Felsen lenkte. Schließlich hielten sie an und Malee bedeutete ihnen
auszusteigen.
    »Von hier aus müssen wir zu Fuß
weiterlaufen«, rief sie aus und deutete auf einen schmalen Weg, der sich
linksseitig des Flussbetts befand.
     
    ****
     
    Malee ging vor und die anderen
folgten ihr. Michael hielt Amys Hand fest umschlungen und achtete darauf, dass
sie auf dem morastigen Schlamm nicht ausrutschte. Der Pfad führte sie immer
weiter in den Schatten und in die Schwüle des tropischen Regenwaldes hinein.
    Es hatte jetzt aufgehört zu
regnen und einzelne Sonnenstrahlen hüpften durch die üppige Vegetation, setzten
filigrane Lichtpunkte auf die riesig erscheinenden Teakholzbäume, die tropischen
Gewächse, die zahlreichen Orchideenarten und den roten Hibiskus. Ab und zu
spiegelte sich das Licht auf dem Wasser der Sumpfgebiete. Fremdartige Geräusche
drangen an ihre Ohren.
    Amy sah nach oben und entdeckte
in den dichten Kronen der hohen Bäume vier kleine Äffchen, die vergnügt
miteinander tobten. Entzückt lachte sie auf. Nach etwa zwanzig Minuten standen
sie atemlos am Eingang einer Höhle, der so versteckt war, dass sie ihn ohne
Malee niemals entdeckt hätten. Diesmal ging Kukrit vor und leuchtete mit seiner
Taschenlampe in die verschachtelten Höhlengänge, in denen er sich anscheinend
bestens auskannte.
    Das Tageslicht wurde immer
fahler, bis es ganz erlosch. Nach etwa fünf Metern erfasste sie eine
bleischwarze Dunkelheit. Das Aufheulen des Monsunwindes verstummte. Alle atmeten
erleichtert auf. Im Schein von Kukrits Taschenlampe gingen sie hintereinander
Schritt für Schritt vorsichtig weiter in die Höhle hinein. Zu spät sah Ben das
lose Geröll vor sich. Sein Knöchel knickte um.
    Haltsuchend krallte er sich an
der Mauer fest. Als er unter seiner Hand etwas Warmes, Pulsierendes spürte,
gefror das Blut in seinen Adern. Sébastien, der instinktiv die Situation
erfasste, reagierte sofort.
    Mit Lichtgeschwindigkeit stieß er
den vor ihm gehenden Milton zur Seite und drängte Amy und Michaels zur Seite.
Bevor sich aus der Tiefe von Bens Kehle der heisere Schrei löste, umschloss
Sébastiens große Hand seinen Mund.

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