Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
baumelte. Neugierig reckte das Äffchen
sich hoch und beschloss, das Glitzern näher zu erkunden. Dabei stützte es sich
mit einem Beinchen auf dem Armaturenbrett ab und stieg mit dem anderen auf
Sébastiens Kopf.
»Verdammt… he, bist du
wahnsinnig?«, rief Sébastien fluchend. Ungerührt griff das Tier nach dem
funkelnden Objekt seiner Begierde und grunzte zufrieden auf, als die Kette
endlich riss und der silberne Buddhaanhänger in seine schwarze Lederhand rollte.
Befriedigt nahm es seinen Fuß aus
Sébastiens zerrauften Haaren und setzte sich mit einem platschenden Geräusch auf
den mittlerweile triefenden Beifahrersitz. Sébastien beugte sich zu ihm vor.
Dann sah er in dem graubraunen Fell eine Kordel mit einem winzigen Kristallstein
schimmern. Das war doch… »Du bist doch Coco, Nahlas Macaca, oder?« Das
aufgeregte Hopsen sah fast wie ein Ja aus.
Aha, anscheinend war der Affe nur
gegen Hupsignale taub. Denn als es seinen Namen hörte, rückte das Äffchen näher
an ihn heran und machte heftige Nickbewegungen. Dann schürzte er seine Lippen
nahe an Sébastiens Mund und stieß freudige Laute aus.
»Oh, mon dieu.« Überrascht vor so
viel Zudringlichkeit wich Sébastien zurück. Den Affen schien das nicht zu
stören. »Uh-uh-uh.«
»Ja, du kannst mich auch mal. Was
denkst du, was das hier ist? Ein Taxi für Dschungel-Passagiere?«
»Uh-uh-uh …«
Genervt strich er sich über seine
Bartstoppeln. »Hau ab!« Doch das Äffchen fletschte nur gutmütig die Lippen, gab
gurrende Laute von sich und machte ansonsten keinerlei Anstalten, aus den Wagen
zu steigen.
»Scheiße. Was soll das hier
werden, soll ich dich etwa mitnehmen?«, fluchte Sébastien entnervt. »Uh-uh-uh«.
»Ja, ja. Schon gut, wenn du mir
noch einmal so antwortest, dann werde ich dir den Hals umdrehen, hast du mich
verstanden?«
Große schwarze Kulleraugen sahen
ihn gutmütig an. »Uh-uh …« »Ja, du mich auch.« Trotz seiner schlechten Laune
musste Sébastien auflachen. »Okay, dann kommst du eben mit.«
****
Kurz vor dem Höhleneingang
stoppte er den Wagen und sprang heraus. »Uh-uh« Genervt drehte er sich um.
»Was?«
Coco hielt die Wagenschlüssel in
ihrer Hand und spitzte die Lippen. Dann bedachte sie ihn mit einem gewinnenden
Augenaufschlag und kletterte in Windeseile auf seinen Arm. Verblüfft starrte er
an sich hinunter.
»Du meinst, ich soll dich jetzt
auch noch tragen?«
»Uh-uh-uh.«
Na toll. Jetzt rede ich schon mit
einem Affen. Ich habs wirklich schon weit gebracht. Aufseufzend nahm er ihr die
Schlüssel ab, stopfte sie in seine Jeanstasche und begann, den Steilhang
hochzugehen. Zufrieden kauerte Coco sich an seiner Brust zusammen und grunzte
zufrieden.
Im Tempel angekommen, machte er
sich auf die Suche nach Nahla, konnte sie aber nirgends entdecken. Dafür
begegneten ihm in jedem Winkel des Gartens junge Mönche in ihren safrangelben
Kutten.
Vage kamen ihm Malees Worte in
den Sinn. Nach dem Fest ziehen sie sich zur dreimonatigen Fastenzeit und zum
Meditieren zurück in die Klöster. Sébastien hielt einige von ihnen an.
Da er wusste, dass sie ihn wohl
nicht verstehen konnten, fragte er nur: »Nahla?«
Ihr stummes Kopfschütteln wurde
von Cocos leisen schmatzenden Geräuschen begleitet, die emsig versuchte, seinen
obersten Hemdknopf abzubeißen. Frustriert sah er sich um. Anscheinend war sie
nicht im Tempel. Niemand hatte sie gesehen oder wusste, wo sie war.
Sie war wie vom Erdboden
verschluckt. Als letzten Punkt ging er zu den Therapieräumen in dem Nebentrakt.
Auch dort war weit und breit keine Spur von ihr. Unerwartet tippte ihn jemand
von hinten auf die Schulter. Überrascht drehte er sich um. Die junge
Rezeptionistin stand vor ihm.
»Die Mönche werden ihnen nicht
antworten, Sébastien. Mit der Fastenzeit beginnt auch ihr dreimonatiges
Schweigegelübde.« Aha. Das erklärte vieles.
»Daran solltest du dir vielleicht
mal ein Beispiel nehmen, Schätzchen«, sagte er an Coco gewandt. Ein treuherziger
Augenaufschlag quittierte seine Worte, während ihre kleinen, schwarzen Händchen
weiter an seinem Hemd nestelten. Mit einer letzten geschickten Bewegung drehte
sie den halb losen Knopf herum, erfasste dabei auch eine Handvoll von Sébastiens
Brusthaaren und ruckte ein letztes Mal daran. »Aaaa …« Unterdrückt schrie er auf
und Coco präsentierte ihm zeitgleich mit einer triumphierenden Geste den
abgerissenen Knopf.
»Okay, du kleines Monster.
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