Tränen der Lilie - Hüter der Gezeiten (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
am Mormon Lake ankamen,
war Rebecca bei
dem Anblick ihrer Familie und der unzähligen Freunde, die sie
auf der Lichtung
des Sees empfangen hatten, absolut sprachlos gewesen.
Wie in Trance
hatte sie alle
guten Genesungswünsche entgegengenommen und den Nachmittag in
vollen Zügen
genossen. Aber man merkte ihr an, dass sie den vielen Menschen
gegenüber
ängstlich und zurückhaltend war. In einer stillen Minute stand
sie schweigend
auf und begann langsam am Flussufer entlang zu gehen.
Amy bemerkte, dass
Ben sich
ebenfalls erhob und Rebecca gemächlich folgte. Schon den ganzen
Nachmittag
hindurch hatte er sie nachdenklich betrachtet. Manchmal schien
Rebecca seinen
Blick zu erwidern, doch sobald sich ihre Augen direkt trafen,
sah sie wie ein
gejagtes Tier wieder weg.
»Hast du Lust
darüber zu reden ?« Ben war auf
gleicher Höhe mit ihr angelangt und
betrachtete sie ganz ruhig.
»Nein, das habe
ich nicht. Lass
mich einfach in Ruhe, okay ?«
»Kein Problem.«
Von ihrer spröden
Art unbeirrt,
behielt er ihr Tempo bei und blieb unverdrossen an ihrer Seite.
Minuten
vergingen, er hielt sich still neben sie und keiner von beiden
sprach ein Wort.
Schließlich blieb sie stehen und sah ihn argwöhnisch an.
»Ben, was zum
Teufel willst du
von mir? Ich bin eine gestörte Persönlichkeit. Ich habe vor
tausend Sachen
Angst und bin irrational. Ich kann das ganze verdammte Grauen
einfach nicht
vergessen .«
Sie spürte, wie
sich die dicken
Tränen in ihren Augen zu sammeln begannen und stöhnte
verzweifelt auf. Langsam
drehte Ben sich zu ihr um und hob leicht ihr Kinn an.
»Rebecca, mir
fällt es auch
schwer, mit der Bürde meines Familienclans umzugehen.
Ich habe mir das
auch niemals so
gewünscht. Aber es gibt Dinge, die kann man einfach nicht
ändern. Sie passieren
einfach und man ist ein Teil davon, ob man will oder nicht. Ich
weiß, wie
schrecklich du dich fühlst. Ich kann mich in deine Situation
hinein versetzen .«
Rebecca sah ihm
mit
zusammengezogenen Brauen an und kurzfristig erschien wieder ein
Ausdruck von
Leben auf ihrem Gesicht. Und doch wollte sie ihm keinen Glauben
schenken –
konnte es einfach nicht.
»Nein, du weißt
überhaupt nicht,
was ich fühle«, flüsterte sie geknickt. »Keiner kann das
nachvollziehen .«
Ben ignorierte
ihre trostlose
Antwort. Stattdessen nahm er ihre kleine Hand in die seine,
wanderte langsam
weiter und zog sie mehr als das sie ging, hinter sich her.
»Lass dem Leben
einfach seinen
Lauf Rebecca, dann werden wir sehen, was daraus wird. Irgendwann
musst du wieder
Vertrauen zum Leben fassen«, murmelte er leise.
Michael lehnte mit
seinem
Oberkörper am Baumstamm einer riesigen Kiefer und zog Amy eng an
sich. Sie
hatten die Decke nahe am Ufer auf dem Gras ausgebreitet und Amy
kuschelte sich
behaglich an ihn. Lange konnten sie hier allerdings nicht mehr
sitzenbleiben,
denn trotz der dicken Daumenjacke, begann sie langsam zu
frösteln. Fürsorglich
rieb er ihren Arm. Es war ein strahlender Sonnentag, aber die
Temperaturen
kletterten nicht über zehn Grad. Ein schwacher Wind zog durch
die kahlen Bäume,
riss die letzten Blätter mit sich und vermischte sich mit dem
Plätschern des
Wassers. Sein Blick glitt zu seinem Bruder und Rebecca, die
stumm nebeneinander
am Seeufer standen. Michael liebte seinen jüngsten Bruder.
Ben war sein
ganzes Leben lang
immer der wildeste und burschikoseste von ihnen gewesen. Zu
allen Streichen
aufgelegt, immer ein Lachen auf dem Gesicht, aber nie in
irgendeiner Weise
Verantwortung für etwas tragen zu wollen. Das schien sich jetzt,
aus
irgendwelchen magischen Gründen geändert zu haben.
Michael lenkte
seinen Blick
zurück zu Amy und zog sie fester an seinen Körper, bis er ihren
regelmäßigen
Herzschlag an seiner Brust fühlte. Er liebte es, ihren zarten
Körper in seinen
Armen zu spüren. Genüsslich wie ein Kätzchen rollte Amy sich an
seiner warmen
Brust zusammen und kuschelte sich eng an ihn. Der Tag war
anstrengend gewesen.
Sie merkte, wie ihre Wunde wieder zu anfing zu pochen und sie
langsam müde
wurde. Irgendwann fielen ihre Augen wie von selbst zu und sie
schlief
unvermittelt ein. Und dann überrannten sie mit brachialer Gewalt
die alten,
gefürchteten Alpträume und ängstigten sie.
Amy spürte
Tohopkas Atem an ihrem
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