Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
Blick glitt zu seinem Bruder und Rebecca, die
stumm nebeneinander am Seeufer standen. Michael liebte seinen
jüngsten Bruder.
Ben war sein
ganzes Leben lang immer der wildeste und burschikoseste von
ihnen gewesen. Zu allen Streichen aufgelegt, immer ein Lachen
auf dem Gesicht, aber nie in irgendeiner Weise Verantwortung für
etwas tragen zu wollen. Das schien sich jetzt, aus irgendwelchen
magischen Gründen geändert zu haben.
Michael lenkte
seinen Blick zurück zu Amy und zog sie fester an seinen Körper,
bis er ihren regelmäßigen Herzschlag an seiner Brust fühlte. Er
liebte es, ihren zarten Körper in seinen Armen zu spüren.
Genüsslich wie ein Kätzchen rollte Amy sich an seiner warmen
Brust zusammen und kuschelte sich eng an ihn. Der Tag war
anstrengend gewesen. Sie merkte, wie ihre Wunde wieder zu anfing
zu pochen und sie langsam müde wurde. Irgendwann fielen ihre
Augen wie von selbst zu und sie schlief unvermittelt ein. Und
dann überrannten sie mit brachialer Gewalt die alten,
gefürchteten Alpträume und ängstigten sie.
Amy spürte
Tohopkas Atem an ihrem Hals und fühlte wieder, wie er sie zu
Boden riss und sie so schwer verwundete, das sie dachte, ihr
Leben wäre zu Ende. Sie sah Michael, der um sein Leben kämpfte
und gleichzeitig versuchte, das ihre zu retten… und dann sah sie
wieder das Blut… so viel vergossenes, vollkommenes unschuldiges
Blut. Panisch schrie sie in ihrer Vision auf.
Michael beugte
sich erschrocken zu ihr herunter und versuchte sie vorsichtig
und sanft aus ihrer Vision zurückzuholen. Doch sofort waren ihr
Vater und Steven auf den Beinen und rannten auf sie zu. Michael
spürte intensiv, was in Amy vorging und hatte nur den einen
Wunsch, ihre Seelenqualen zu lindern.
Zärtlich nahm er
ihr Gesicht in seine Hände und versuchte sie behutsam
aufzuwecken. Doch Steve und ihr Vater stießen ihn zur Seite und
schüttelten Amys Körper wie eine Puppe gnadenlos hin und her.
Gepeinigt sah
Michael dem Geschehen zu, doch Mahu gab ihm aus den Augenwinkeln
heraus einen Wink, um ihn zu beruhigen. Sie fühlte, dass es
jetzt besser war, sich nicht einzumischen und er verstand ihren
Rat. Aber seine Seele begann zu bluten, als er sah, wie Amy
orientierungslos aufwachte und in die Augen ihres Vaters sah.
»Mein Gott, was
ist mit dir passiert?«
Thomas sah sie
bestürzt an und Steve fühlte vorsorglich ihren Puls. Michael
verspürte den fast unbezähmbaren Drang auf ihn zu springen und
ihn zu töten. Dieser eingebildete Pinsel, der einen Puls nicht
vom Glockenschlag einer Uhr unterscheiden konnte, versuchte ihr
jetzt rettend zur Hilfe eilen.
Ein heftiges und
tiefes Knurren durchzog seine Kehle. Doch Milton warf ihm einen
tiefen Blick zu und versuchte damit seine Ruhe auf seinem Sohn
zu übertragen. Amy fuhr sich mit beiden Händen nervös durchs
Gesicht und versuchte wieder klar zu denken. Verwirrt blickte
sie zwischen all den Augenpaaren, die auf sie gerichtet waren
hindurch und suchte Michael Blick. Als sie seinen eisblauen
Augen begegnete, wurde sie sofort wieder ruhiger. Doch dann
durchbrach ein erstickter Ausruf die Aufregung und alle wandten
sich Rebecca zu. Diese hatte Amy Schrei gehört. Daraufhin hatte
sie Ben panikartig weggestoßen und war so schnell sie konnte zu
Amy gerannt. Jetzt kniete sie sich auf die Decke runter und Amy
sah die Panik in Rebeccas Augen aufflackern.
»Er ist wieder da,
Tohopka… er ist doch nicht tot, oder?«, flüsterte sie erstickt.
»Nein, Rebecca.
Hör mir zu, das ist nicht wahr. Er ist sicher tot und kann dir
nie wieder wehtun. Ich bin nur eingeschlafen und habe schlecht
geträumt.«
Mit diesen Worten
umarmte sie die verängstigte Freundin und strich ihr beruhigend
übers Haar.
Michael stand
stumm daneben. Jetzt warf er einen kurzen Blick auf Thomas und
Steve und seine Besorgnis wuchs, als sich ihr Vater aufrichtete
und ihn böse ansah.
Michael ahnte, auf
was dieser Blick hinauslaufen würde und fluchte innerlich, denn
Thomas schien etwas zu ahnen. Denn außer den Geisterkriegern,
Rebecca und ihrer Schwester Rachel, wusste kein anderer
Außenstehender, was sich vor Wochen tatsächlich im Wald
abgespielt hatte. Alle hielten die Geschichte mit dem Bären für
wahr.
Mahu bemerkte die
Spannung, die plötzlich in der Luft lag und reagierte sofort.
»Ich denke, es war
für uns alle ein anstrengender Tag. Wir
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