Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
abzubringen.
Trotzdem beschlich
sie ein eigenartiges und seltsam mulmiges Gefühl. Aber gerade
als sie sich doch entschlossen hatte, Loraine noch aufzuhalten,
zog ihr Tanzpartner sie am Arm und forderte wieder ihre ganze
Aufmerksamkeit.
Loraine war
unterdessen am Rand der Tanzfläche angekommen und versank erneut
in seine hypnotisierenden Augen, die sie mit unergründlicher
Respektlosigkeit anfunkelten.
In diesem Moment
fasste sie einen folgenschweren Entschluss. Demonstrativ blickte
sie zum Ausgang. Dann warf sie ihr blondes Haar zurück und ging
betont lasziv auf die Tür zu. Auf der Straße zündete sie sich
eine Zigarette an, inhalierte tief den Rauch und wartete.
****
Sie wurde nicht
enttäuscht. Nach wenigen Minuten hörte sie ein erneutes
zuschlagen der Tür.
Er war ihr also
tatsächlich gefolgt. Genüsslich verzog sich ihr Mund zu einem
arroganten Lächeln. Sie drückte die Zigarette mit ihrem Absatz
aus und spazierte langsam die Straße in Richtung Wheeler Park
runter. Sie spürte, dass er ihr lautlos folgte und das
verschaffte ihr eine sinnliche Genugtuung.
Nachdem sie vor
ein paar Tagen Trevor Miles, Besitzer einer großen Modeboutique,
den Laufpass gegeben hatte, war sie nun gezwungen, sich nach
einer neuen, zweibeinigen Geldquelle umzusehen.
Das milchige und
diffuse Licht der Straßenlaterne spiegelte sich auf dem
schwarzen Kopfsteinpflaster in den Pfützen. Der Regen hatte die
nächtliche Luft noch schwüler gemacht. Durch die Hitzewelle der
vergangenen Tage erhoben sich jetzt Nebelschwaden und begannen
den Himmel zu verdunkeln.
Die Häuserfassaden
sahen grau und heruntergekommen aus. Überall blätterte der Putz
von den Wänden. Aus dem offenen Fenster des rechten Häuserblocks
drang laute Rockmusik und ein Kind schrie wie am Spieß.
Plötzlich schrie
Loraine auf und blieb erschrocken stehen. Ein lautes,
metallisches Scheppern hallte wie ein dröhnendes Echo durch die
düstere Straße. Nervös blickte sie sich nach allen Seiten um und
kicherte kurz darauf erleichtert auf. In der Dunkelheit einer
Seitengasse hatte eine Katze eine der Mülltonnen umgeschmissen
und machte sich jetzt gierig über die stinkenden Fischabfälle
her. Zwischendurch warf sie Loraine immer wieder fauchende
Blicke zu, die ihr mitzuteilen schienen, dass sie mit niemanden
bereit war ihre Beute zu teilen.
Durch die hohe
Luftfeuchtigkeit klebte ihr mittlerweile das dünne Kleid am
ganzen Körper fest. Vage sah sie sich in der dunklen Straße um
und bemerkte in einiger Entfernung eine hohe Steinmauer. Sie
schien in einer Sackgasse gelandet zu sein. Auch gut, dachte
sie. Er würde sie wohl schon wieder von hier rausführen.
Schließlich
verlangsamte sie ihre Schritte und hörte, dass auch seine
Bewegungen langsamer wurden.
Abwartend blieb
sie stehen. Verzückt lachte sie auf und freute sich über diese
ungewohnte und äußerst geheimnisvolle Situation.
Vor fünf Jahren
hatte sie den Entschluss gefasst, nicht im Tal der unberührten
Jungfrauen zu versauern.
Seitdem setzte sie
ihren mittlerweile 18-jährigen Körper ziemlich erfolgreich ein,
wenn sie einen materiellen Vorteil für sich sah.
Und dieser Fremde
sah aus, als wenn er ihr so einiges bieten konnte. Sie
befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. Dann drehte sie sich
langsam um und sah ihn mit kraftvollen, gleitenden Schritten auf
sich zukommen. Ein faszinierendes Zittern durchfuhr ihren
Körper.
Er war noch viel
größer als sie vermutet hatte. Seine rostfarbenen Haare waren
streng mit Gel aus dem Gesicht gekämmt. Dadurch kamen seine
markanten Gesichtszüge ausdrucksvoll zur Geltung. Sie sah
seine dunklen, buschigen Augenbrauen, die sich in der Mitte fast
berührten, seine leicht gebogene Nase, die an einen Habicht
erinnerte und registrierte erstaunt seine tiefrubinroten Lippen,
die fast zu glühen schienen.
»Hast du auf mich
gewartet?«, fragte er. Jetzt stand er unmittelbar vor ihr.
»Ja, ich denke
schon«, flüsterte sie neugierig.
»Gut, dann hast du
wohl auch auf mich gewartet«, raunte eine andere heisere Stimme
und von der linken Seite erschien eine Gestalt, die mit ihrem
Gegenüber absolut identisch war. Loraine war verwirrt, aber es
kam noch schlimmer. Auf der rechten Straßenseite tauchte nun
ebenfalls ein komplett gleichaussehender Mann auf.
»Loraine! Oder
wartest du etwa auf mich? Du musst dich
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