Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
Schlucken fiel ihm schwer und
plötzlich kam ihm sein Anliegen komplett sinnlos und töricht
vor. Schließlich traten die Wamblis vor und Lanu spürte ihre
Finger mit den langen und spitzen Adlerkrallen in seinen Rücken.
Daraufhin straffte
er sich und ging langsam weiter, bis er unmittelbar vor dem
weisen Rat zum stehen kam.
»Du hast um eine
Anhörung gebeten. So sprich nun. Was möchtest du von uns?«
Lanu starrte die
Dogianer an. Die drei weisen Männer hatten sich im Alkoven-Saal
versammelt und blickten ihn abwartend an. Plötzlich kam ihm sein
Ansinnen töricht vor und doch musste er es versuchen, wenn er
hier unten nicht elendig versauern wollte.
»Heiliger Rat. Ich
habe um diese Audienz gebeten, weil ich mir sicher bin, das es
nun der richtige Zeitpunkt ist. Ich denke, dass ich genug Buse
getan habe und darum möchte ich jetzt wieder als Mensch und
Geisterkrieger zur Erde zurückkehren. Meine Seele ist wieder
frei von allem Bösen und darum bitte ich, dass meine Strafe
aufgehoben wird.«
Nachdem er sein
Ansinnen ausgesprochen hatte, ruckte Tohus Kopf ungläubig in die
Höhe und der Älteste des Rates starrte ihn fassungslos an.
Trotzdem klang seine erhabene Stimme erstaunlich milde, als er
ihn ansprach.
»Lanu. Sag mir,
wie lange bist du jetzt wieder bei uns, in der ersten Welt?«
»Seit nunmehr drei
Jahren, zwei Wochen und siebzehn Stunden.«
»Dann weißt du
sehr damit selber sehr genau, dass es noch mindestens
siebenundvierzig Jahre dauern wird, bis deine Seele befreit wird
und du wieder ein Hüter der Lilien werden kannst. Dein Anliegen
ist vollkommen unsinnig, findest du das nicht auch? Du kennst
unsere heiligen Regeln der vier Gezeiten.«
Verzweifelt biss
sich Lanu auf die Lippe und war nicht bereit, so schnell
aufzugeben.
»Mit Verlaub, es
gibt doch Ausnahmen. Ich habe doch vollkommene und tiefe Reue
gezeigt.«
Tohu sah zu seinen
Brüdern hinunter, die neben ihm saßen. Alle beide schüttelten
beinahe gleichzeitig ihre Köpfe. Ihre schneeweißen Haare
raschelten dabei wie zu Boden gefallendes Laub. Mit ihren
mentalen Synergien tauschten sie lautlos ihre Gedanken
untereinander aus.
Alle drei hatten
dieselben Visionen und sie sahen das junge Mädchen tot auf dem
Waldboden liegen. Getötet von der Hand Lanus, der ihr die
giftigen Peyote-Köpfe gegeben hatte, um sie so auf die von ihr
geforderte Traumreise zu schicken. Auch wenn das Mädchen
eingebildet, dumm und egozentrisch gewesen war, konnte man das
Handeln von Lanu in keinster Weise nachvollziehen oder
gutheißen.
Denn als Hüter der
Lilien hatten alle Clanmitglieder den heiligen und urbanen Eid
abgelegt, mit keinem menschlichen Wesen über ihre Aufgabe in der
Welt zu sprechen. Er hatte gegen diesen eisernen Ehrenkodex
verstoßen. Und das aus absolut niederen Motiven, nur um vor der
jungen Krankenschwester anzugeben, was seine Tat noch einmal so
viel schwerwiegender machte. Es entsprach der Wahrheit, dass
Lanu daraufhin freiwillig in die erste Unterwelt der Gezeiten
zurückgekehrt war, um Buse zu tun. Aber Tohu hatte ihn in den
drei Jahren immer wieder heimlich beobachtet.
In dieser Zeit
hatte er bemerkt, dass eine Saat eines dunklen Feuers in Lanu zu
keimen begann, die mit jedem Tag immer gewaltiger wuchs. Langsam
kehrte Tohu aus seiner Trance zurück und stieß seinen Stab der
Weisheit dreimal auf den Marmorboden auf.
Das war das
Zeichen, dass ein Urteil gefallen war. Tohu erhob sich und sah
Lanu bei seinen Worten fest in die Augen.
»Lanu, höre mich
zu. Du hast vor drei Jahren ein großes Unrecht getan und deine
Seele ist noch viele Himmelsjahre davon entfernt, um rein und
vollkommen zu sein. Wir spüren auch, das in dir etwas
Unfassbares am keimen und immer mehr am wachsen ist. Eine böse,
allumfassende Saat und ich hoffe mit meiner ganzen Seele, dass
wir Hüter der Lilien es besiegen können. Darum sind wir zu dem
Schluss gekommen, dass du noch für eine lange Zeit nicht bereit
sein wirst, um wieder auf die Erde, in die vierte Gezeit,
zurückzukehren.«
Nach dem
Urteilsspruch gab Tohu den Behütern ein Zeichen. Die Wamblis
glitten sofort wieder an seine Seite und führten Lanu durch die
langen und düsteren Korridore zurück in seine Grotte.
****
Tiefes Entsetzen
spiegelte sich in Lanus aschfahlem Gesicht wieder und verbittert
ließ er sich auf den Boden fallen.
Dort rollte
Weitere Kostenlose Bücher