Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
gerannt. Der einzige Ort, an dem
sie zurzeit alleine sein konnte.
Tief in ihrem
Inneren wünschte sie sich, das Emilys Eltern und auch ihr Vater
bald abreisten, damit endlich wieder der normale Alltag
zurückkam.
Dass Michael sich
wie ein Wachhund verhielt und ihre wackligen Schritte mit
Aufmerksamkeit beobachtete, daran hatte sie sich mittlerweile
gewöhnt. Sie war ihm dankbar, dass er sie wenigstens allein auf
die Toilette gehen ließ. Aber ihr Vater setzte allen noch die
Krone auf, mit seiner übertriebenen Fürsorge. Einzig Michaels
Familie ging völlig normal mit ihr um. Sein Vater Milton, der
für ihre ärztliche Nachbehandlung verantwortlich war, verstand
es immer wieder, sie aufzumuntern. Bei seiner gestrigen
Untersuchung übertrug sich seine Ruhe auch auf Amy. Zum Schluss
hatte er zufrieden genickt und seine entspannten Worte waren
Balsam für ihren gestressten Körper gewesen.
Die Narbe
wächst sehr gut zu, Amy. Du musst dich nicht mehr übermäßig
schonen. Sieh nur zu, dass du keine ruckartigen Bewegungen
machst oder dich nach unten beugst, dann wirst du schon bald
wieder ganz die alte sein.
Nach ihrem
frustrierten Aufstöhnen hatte Milton wissend mit dem Kopf
genickt.
Ich weiß, dass
dir das schwer fällt, aber du musst auch deinen Vater und die
anderen verstehen. Sie sind einfach besorgt um dich. Genieße
es doch ein wenig, so bemuttert zu werden. Bald ist es vorbei
und das normale Leben beginnt wieder.
Jetzt, wo Amy über
seine aufmunternden Worte nachdachte, kam ihr eine grandiose
Idee. Das Klingeln der Haustür riss sie aus ihren Gedanken und
nach dem Poltern und lautem Stimmenwirrwarr zu schließen, war
Besuch angekommen. Gut, dachte sie bei sich. Das ist der
perfekte Zeitpunkt, allen von meiner Idee zu berichten.
Schwungvoll riss
sie ihre Zimmertür auf und begab sich nach unten. In der Küche
angekommen, wurde sie sofort freudig von Suletu umarmt.
»Amy, ich habe zur
Feier des Tages einen Kuchen gebacken, willst du ein Stück?«
»Davon würde ich
dir dringend abraten, Schwesterherz.«
Ben kam zu ihnen
rüber geschlendert, umarmte Amy kameradschaftlich und beugte
sich anschließend kichernd über den Teller.
»Es ist ihr erster
Backversuch. Und wenn das da so schmeckt, wie es riecht und
aussieht, dann wird es eine ziemlich verkohlte Angelegenheit
werden.«
Auch Taylor beugte
sich jetzt schnuppernd zu dem sehr dunkel aussehenden Kuchen
hinunter, doch ritterhaft versuchte er seine Freundin zu
verteidigen.
»Wenn man drei
Kilo Puderzucker drüberstreut, dann wird er bestimmt zu genießen
sein… denke ich.«
»Ihr seid
Idioten«, schimpfte Suletu, »ich wollte doch nur eine
Überraschung für morgen vorbereiten, wenn Rebecca aus der Klinik
kommt.«
»Das ist dir auch
fast perfekt gelungen«, lachte Amy auf. Es klingelte erneut an
der Tür und Suletu begab sich in den Flur um nachzusehen.
Unterdessen kam Mahu in die Küche und gab Amy ein Päckchen.
»Hier Liebes, ich
habe dir eine neue Salbe zubereitet. Reib damit zweimal täglich
das Narbengewebe ein, damit es geschmeidig bleibt und …«, sie
stockte kurz und beugte sich schnüffelnd zu dem dunklen Etwas
auf dem Teller runter. Stirnrunzelnd schaute sie Amy an und
flüsterte danach im verschwörerischen Ton: »Suletu wird niemals
eine perfekte Köchin werden, aber Taylor liebt sie abgöttisch.
Ich denke, mit viel Zuckersirup und Schlagsahne können wir den
Geschmack übertünchen.«
Amy musste grinsen
und sah dabei aus den Augenwinkeln, wie Ben sich gerade aus der
Haustür schlich.
»Wohin geht er
eigentlich immer? Jeden Tag kommt er mich besuchen, aber schon
nach kurzer Zeit verschwindet er wieder, ohne was zu sagen.«
Mahu folgte ihrem
Blick und lächelte daraufhin weise.
»Ich glaube, dass
mein jüngster Sohn langsam erwachsen wird.
Hast du noch nicht
bemerkt, dass er dich oft nach Rebecca gefragt hat, was sie für
einen Charakter hat und was ihre Vorlieben sind?«
Amy blickte Sie
sprachlos an. »Denkst du, er mag sie?«
Die Küchentür
schwang auf und unterbrach ihr Gespräch. Robert kam
freudestrahlend in die Küche.
»Wie geht es
meinem Lieblingsmädchen heute?«, fragte er selbstbewusst und
küsste sie herzhaft auf die Wange. Es dauerte nur einen
Windhauch und Michael stand wie aus dem Nichts heraus auch im
Raum. Scheinbar gelangweilt kam er auf sie zu und schlang
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