Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
einzuatmen, seinen
muskulösen Körper an den ihren zu spüren und die vollkommende
Liebe in seinen Augen zu lesen, machten sie schwindelig vor
Glück.
»Hey, wir sollten
jetzt langsam losfahren«, murmelte Michael.
Schwer atmend
löste er sich aus ihrer innigen Umarmung und betrachtete noch
einmal liebevoll ihr Gesicht.
»Okay, dann fahr
los. Ich bin soweit«, murmelte Amy versonnen.
****
Es war ein
sonniger Frühlingsnachmittag inmitten eines strahlendblauen
Himmels und zum ersten Mal, seit den schrecklichen Ereignissen,
herrschte eine fast ausgelassene Stimmung. Ihre fröhlichen
Stimmen vermischten sich mit dem Gezwitscher der
vorbeifliegenden Vögel und in stiller Eintracht breiteten alle
die mitgebrachten Decken und den Inhalt der Picknickkörbe im
Gras aus.
Milton hatte
Rebecca aus der Klink abgeholt und ihr auf der Fahrt zum Fluss
nichts von der Überraschung verraten. Still saß sie neben
ihn. Nachdem sie schon eine ganze Weile gefahren waren, kurbelte
sie vorsichtig das Fenster runter und genoss nach so vielen
Tagen im Krankenhaus, endlich wieder das Gefühl der wärmenden
Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Als sie schließlich am Mormon
Lake ankamen, war Rebecca bei dem Anblick ihrer Familie und der
unzähligen Freunde, die sie auf der Lichtung des Sees empfangen
hatten, absolut sprachlos gewesen.
Wie in Trance
hatte sie alle guten Genesungswünsche entgegengenommen und den
Nachmittag in vollen Zügen genossen. Aber man merkte ihr an,
dass sie den vielen Menschen gegenüber ängstlich und
zurückhaltend war. In einer stillen Minute stand sie schweigend
auf und begann langsam am Flussufer entlang zu gehen.
Amy bemerkte, dass
Ben sich ebenfalls erhob und Rebecca gemächlich folgte. Schon
den ganzen Nachmittag hindurch hatte er sie nachdenklich
betrachtet. Manchmal schien Rebecca seinen Blick zu erwidern,
doch sobald sich ihre Augen direkt trafen, sah sie wie ein
gejagtes Tier wieder weg.
»Hast du Lust
darüber zu reden?« Ben war auf gleicher Höhe mit ihr angelangt
und betrachtete sie ganz ruhig.
»Nein, das habe
ich nicht. Lass mich einfach in Ruhe, okay?«
»Kein Problem.«
Von ihrer spröden
Art unbeirrt, behielt er ihr Tempo bei und blieb unverdrossen an
ihrer Seite. Minuten vergingen, er hielt sich still neben sie
und keiner von beiden sprach ein Wort. Schließlich blieb sie
stehen und sah ihn argwöhnisch an.
»Ben, was zum
Teufel willst du von mir? Ich bin eine gestörte Persönlichkeit.
Ich habe vor tausend Sachen Angst und bin irrational. Ich kann
das ganze verdammte Grauen einfach nicht vergessen.«
Sie spürte, wie
sich die dicken Tränen in ihren Augen zu sammeln begannen und
stöhnte verzweifelt auf. Langsam drehte Ben sich zu ihr um und
hob leicht ihr Kinn an.
»Rebecca, mir
fällt es auch schwer, mit der Bürde meines Familienclans
umzugehen.
Ich habe mir das
auch niemals so gewünscht. Aber es gibt Dinge, die kann man
einfach nicht ändern. Sie passieren einfach und man ist ein Teil
davon, ob man will oder nicht. Ich weiß, wie schrecklich du dich
fühlst. Ich kann mich in deine Situation hinein versetzen.«
Rebecca sah ihm
mit zusammengezogenen Brauen an und kurzfristig erschien wieder
ein Ausdruck von Leben auf ihrem Gesicht. Und doch wollte sie
ihm keinen Glauben schenken – konnte es einfach nicht.
»Nein, du weißt
überhaupt nicht, was ich fühle«, flüsterte sie geknickt. »Keiner
kann das nachvollziehen.«
Ben ignorierte
ihre trostlose Antwort. Stattdessen nahm er ihre kleine Hand in
die seine, wanderte langsam weiter und zog sie mehr als das sie
ging, hinter sich her.
»Lass dem Leben
einfach seinen Lauf Rebecca, dann werden wir sehen, was daraus
wird. Irgendwann musst du wieder Vertrauen zum Leben fassen«,
murmelte er leise.
Michael lehnte mit
seinem Oberkörper am Baumstamm einer riesigen Kiefer und zog Amy
eng an sich. Sie hatten die Decke nahe am Ufer auf dem Gras
ausgebreitet und Amy kuschelte sich behaglich an ihn. Lange
konnten sie hier allerdings nicht mehr sitzenbleiben, denn trotz
der dicken Daumenjacke, begann sie langsam zu frösteln.
Fürsorglich rieb er ihren Arm. Es war ein strahlender Sonnentag,
aber die Temperaturen kletterten nicht über zehn Grad. Ein
schwacher Wind zog durch die kahlen Bäume, riss die letzten
Blätter mit sich und vermischte sich mit dem Plätschern des
Wassers. Sein
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