Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
nur manchmal, ein ganz kleines
bisschen eifersüchtig. Denn Tadita und Amy waren immer zusammen
und sie machten auch alles gemeinsam.
Als wenn ein untrennbares, mystisches Band sie auf ewig
zusammenhielt und die Nabelschnur sie niemals durchtrennt hätte.
Amy suchte auch keine Freundinnen. Sie blieb lieber in
der Nähe ihrer geliebten Mutter und ließ sich von ihr in die
Geheimnisse der indianischen Medizin mit ihren uralten,
schamanischen Rezepten einweihen.
Mit sieben Jahren wusste sie schon welche Kräuter
besser gegen Kopfschmerzen halfen als Aspirin.
Abend für Abend lauschte sie mit angehaltenem Atem wenn
ihre Mutter ihr zum Einschlafen die mystischen Legenden und
Geschichten ihres Hopi-Stammes erzählte. Anschließend, wenn
Thomas ihr seinen allabendlichen Gutenachtkuss auf die Stirn
gehaucht hatte, kuschelten sich die beide sofort wieder
zusammen. Dann hörte er neben der Tür zu wenn Tadita ihr leise
eines der uralten, indianischen Wiegenlieder vorsang.
Beide zusammen waren eine so geballte Macht der
Einheit, dass er sich kurzen Momenten ein ganz kleines bisschen
ausgeschlossen vorkam.
Er wusste damals wie heute dass es albern gewesen war
und wenn sie es bemerkten, dann hatten sie ihn jedes Mal
ausgelacht und ihn mit tausend Küsschen überhäuft. Danach war er
wieder vollkommen versöhnt und glücklich mit seiner kleinen
Familie. Aber Glück war vergänglich. Das mussten sie bald darauf
lernen.
Krebs im Endstadium, Metastasen schon viel zu viel
gestreut, überall im Körper. Es war keine Operation mehr möglich
und ihre heile Welt begann zu zerbrechen.
Thomas rieb sich die Stirn und versuchte sich weiterhin
auf den Verkehr zu konzentrieren. Aber seine Gedanken schweiften
unwillkürlich wieder ab, zurück in die Zeit als sein Leben in
sich zusammen fiel und in Trümmern lag.
Wie so oft spürte er wieder die inneren Bilder vor
seinen Augen hochkommen. Das lange, qualvolle Sterben seiner
Frau. Sah seine Tochter, die nächtelang nicht vom Bett ihrer
geliebten Mutter gewichen war und sie aufopferungsvoll bis zum
Schluss gepflegt hatte. Amy war in dieser Zeit fast wie besessen
gewesen. Unaufhörlich hatte sie alle fachlichen Medizinbücher
gelesen. Und alle indianischen, mystischen Rezepte die es gab,
wieder und wieder studiert. Immer in der Hoffnung, dass sie
vielleicht doch eine Substanz, eine Tinktur, oder irgendetwas
anderes finden würden, dass ihre Mutter am Leben erhielt.
Als es dann doch zu Ende ging, ihr Lebensstern sie
sanft berührte und er seine geliebte Tadita zu Grabe tragen
musste, war er vor Trauer wie versteinert gewesen. Aber er
wusste, dass er stark sein musste für seine Tochter. Amy machte
ihm große Sorgen. An den vielen Tagen danach wurde er von der
Angst getragen, dass sie ihrer Mutter folgen würde.
Denn sie weigerte sich zu essen und schloss sich
stundenlang in dem Zimmer ihrer Mutter ein. Dort hatte sie sich
dann auf das Bett gelegt, in dem ihre Mom die letzten Monate und
Tage verbracht hatte. Es brach ihm fast das Herz. Jeden Tag
hörte er von draußen, wie sie so lange weinte bis sie keine
Tränen mehr in sich hatte. Er wusste damals nicht mehr was er
noch tun sollte oder konnte.
Dann, mit einem Mal öffnete sie die Tür und kam endlich
aus dem Zimmer. Thomas erinnerte sich noch genau an diesem Tag,
denn er hatte vor Glück geweint.
Aber als er seine Tochter ansah, bemerkte er plötzlich
eine fast fühlbare Veränderung an ihr.
Sie stand vor ihm, abgemagert und mit einem unendlich
tief versunkenen Gesichtsausdruck.
Und ihre Augen - etwas in ihnen - hatte sich verändert.
In der Zeit der Trauer war sie erwachsen geworden.
Sie war noch immer sein kleines Mädchen – und doch
nicht mehr. Amy versuchte zu lächeln aber ihre Augen blickten
ihn ernst an als sie zu ihm sprach.
»Dad, ich glaube es ist für uns beide an der Zeit jetzt
mit der Trauer aufzuhören. Mom kommt niemals mehr zu uns zurück.
Sie ist in einer anderen, schöneren Dimension.
Sie hat es mir
erzählt. Es hat so lange gedauert, bis heute. Aber jetzt kann
ich sie endlich wieder spüren. Mom ist bei mir und spricht
wieder mit mir.«
Thomas fiel an diesem Tag wieder ein, das Tadita und
Amy sich früher oft stumm und fast regungslos gegenüber gesessen
hatten. Beide hatten sich nur angeschaut und kein einziges Wort,
keine Silbe, miteinander geredet.
Was er immer für eine Art Telepathie
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