Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
die im peitschenden Rhythmus gegen das
Schlafzimmerfenster trommelten.
Blitze erhellten den Nachthimmel und die Schatten der
Finsternis erwachten im silbrigen Licht des Mondes ganz langsam
zum Leben.
In dieser Nacht überkamen sie wieder die Visionen.
Aber Amy konnte sie nicht deuten.
Alles war verschwommen, wie übereinander gelegte
Diabilder. Wie durch einem Schleier hindurch erkannte sie
Tadita. Ihre Mutter stand in einem Meer aus Farben und breitete
beschützend ihre Arme nach ihr aus. In der nächsten Sekunde
verwandelten sich die leuchtenden Farben zu milchigen, düsteren
Kontrasten und sie starrte in einen tiefschwarzen Abgrund des
Grauens.
Schwer atmend wälzte sie sich im Schlaf auf die andere
Seite. Mit einem Mal fühlte sie, wie sich etwas Dunkles langsam
auf sie zu bewegte und ein heißer, fauliger Atem schlug ihr
entgegen. Doch durch die dicken, wabernden Nebelschwaden
hindurch konnte sie nichts sehen. Ganz schwach nur nahm sie
einen Geruch von starker Verwesung wahr.
»Nein, nein, lass mich in Ruhe. Ich habe dir doch
nichts getan… Geh weg von mir….«
Leise vor sich hin sprechend, zuckte ihr zarter Körper
im Bett hin und her. »Bitte gib mir ein Zeichen… ich verstehe
das alles nicht….«
Tränen rannen ihr im Schlaf über die Wangen aber sie
wachte aus diesem Alptraum nicht auf.
Dann - plötzlich - erschien ihr wieder das
schemenhafte, aber mittlerweile so vertraute Gesicht in dem nur
seine Augen ganz hell hervorstachen. Eisblaue, strahlende Augen,
die so klar schimmerten wie ein Bergsee.
Er schaute er sie an, sein Blick fixierte sie geradezu
und ganz leise, fast beschwörend, vernahm sie seine immer
wiederkehrenden Warnungen.
»Komme nicht hierher Amy. Bleibe in deiner Welt, hörst
du mich? Nur so bleibst du am Leben… Ich kann dich nicht immer
beschützen.«
Sie hatte den Eindruck, als wollte er sie liebevoll
umarmen. Ganz langsam kam er auf sie zu, fasste sie bei den
Schultern und zog sie zärtlich an sich. Ihr Herz klopfte ihr bis
zum Hals. Ein warmes und süßes Gefühl durchströmte ihre Adern.
Seine eisblauen Augen waren jetzt verdunkelt und sein glutvoller
Blick streifte ihr Gesicht. »Amy….« Zärtlich umschlang er ihren
Nacken und zog sie sinnlich an seinen Körper. Kimimala, hör auf
mich bitte….Komm nicht in meine Welt, ich bin nicht gut für
dich.« Langsam beugte er den Kopf zu ihr herunter und seine
Lippen schienen ihren Mund zu suchen. Aber dann ließ er abrupt
die Hände sinken, ging wieder auf Abstand und blickte sie nur
weiterhin intensiv an.
In diesem Moment vernahm sie ein unheimliches Knurren
und wie aus ganz weiter Ferne fast menschenähnliche Laute, die
sich miteinander vermischten. Ihr Körper reagierte im Schlaf und
angstvoll umklammerten ihre Hände das Bettlaken. Vor ihren
inneren Augen sah sie plötzlich eine zarte, hellblaue Blume
erblühen und wieder vernahm sie leise seine leicht raue Stimme.
»Amy, siehst du die Lilie? Seit Jahrhunderten schon ist
sie das Symbol für unsere Seelen, denn beide sind von derselben
Reinheit. Bewahre dir deine Lilie und komme nicht in meine Welt,
höre auf mich. Die dunkle Seite der menschlichen Gezeiten hat
keine Seele - aber sie wird versuchen dir die deine zu stehlen.«
In diesem Moment verschwamm sein Gesicht und vermischte
sich schemenhaft mit den Konturen eines riesigen, schneeweißen
Tieres. Geschmeidig flog das Wesen wie aus den Nichts gekommen,
durch die Nacht und verjagte die dunkle und nach Verwesung
riechende Bedrohung vor ihr.
Amy verspürte einen tiefen, inneren Frieden und
gleichzeitig auch eine unendliche Verbundenheit mit diesem Tier,
von dem sie nicht wusste was es war. Fast sah es wie ein Puma
aus.
Im Flug hatte er ganz kurz ihren Körper gestreift. Sein
schneeweißes Fell hatte sich wie fließende Seide angefüllt.
In dieser einen Sekunde verschmolzen ihre Blicke
miteinander. Seine eisblauen und klaren Pupillen mischten sich
mit ihren dunklen, smaragdgrünen Augen und verschmolzen für den
Herzschlag eines Augenblickes miteinander. Eine tiefe, bis dahin
noch nie gekannte Sehnsucht erwachte in ihren Körper.
Beide Wesen, das Tier und das verschwommene Gesicht mit
den gleichen eisblauen Augen, schienen sie geradezu magisch
anzuziehen.
Plötzlich verschwammen die Bilder wieder.
Sie spürte wie eine eisige Kälte in ihren Körper
hochkroch.
Unterdrückt stöhnte sie im Traum
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