Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
auf.
»Bitte geh nicht wieder weg von mir. Nein… Bleibe bei
mir. Ich verstehe das alles nicht… Bitte… Hilf mir doch….«
Aber die Vision löste sich auf, verschwand und in ihrem
Innersten herrschte nur noch die Dunkelheit der Angst.
Schweißgebadet fiel sie danach erschöpft in einen unruhigen
Schlaf.
Wie so oft in den vergangenen Monaten.
1. Kapitel
Die Studenten hörten ihm gebannt zu. Kein Papier
raschelte und es war totenstill im Hörsaal. Mit einem
beeindruckenden Timbre in der Stimme und der Art seiner Gestik,
hatte jeder der Studenten wie immer das Gefühl, Professor
Mallone sprach einzig und alleine nur zu ihm.
»Alle Indianerstämme glauben dass die Erde unsere
Mutter ist. Es gibt ein Sprichwort von ihnen das mit wenigen,
aber sehr ausdruckstarken Worten ihren Glauben an die Natur
wiederspiegelt.«
Thomas Mallone stand vor seinem Rednerpult und blickte
in die gefüllten Reihen der Aula, bevor er mit erhabener Stimme
rezitierte.
»Lehrt eure Kinder was wir unseren Kindern lehrten. Die
Erde ist unsere Mutter. Was die Erde befällt, befällt auch die
Söhne und Töchter der Erde. Denn das wissen wir: die Erde gehört
nicht den Menschen – der Mensch gehört zur Erde. Alles ist
miteinander verbunden, wie das Blut, das die Familie vereint.«
Jeder einzige im Saal hing an seinen Lippen und schrieb
erwartungsvoll mit. Im Hintergrund spielte der Diaprojektor
Bilder von Überschwemmungen und Naturkatastrophen auf die
Leinwand. »Ja, auch das was sie hier sehen ist die Natur. Sie
ist manchmal zerstörerisch, wild, nicht einschätzbar.«
Er drehte sich wieder zu ihnen um.
»Aber die Natur hat auch eine heilende Kraft. Denn
jedes Blatt, jede einzelne Blume, alle Bäume, Sträucher und
Gräser, jede Pflanze speichert ein Elixier für alle unsere
Krankheiten.
Leider verlassen wir uns in unserer heutigen Welt immer
mehr auf die Chemie der künstlichen Substanzen.
Aus diesem Grund sind uns die Indianer schon seit
Jahrhunderten mit ihrem Wissen über das gesamte Universum und
mit ihren Heilerfolgen in der Naturmedizin überlegen. Meine
Damen und Herren -, er blickte sich in den Reihen der Studenten
um -, gehen Sie alle heute einmal in ihr Badezimmer und
schmeißen die den ganzen Berg an Pillen, den sie über die Jahre
hinweg angesammelt haben, in die Mülltonne. Sie brauchen nicht
jeden Tag einen Cocktail aus künstlichen Medikamenten.
Es ist natürlich ein sehr bequemer Weg für sie. Sie
gehen mit Kopfschmerzen zum Arzt und er verschreibt ihnen eine
Packung Aspirin. Sie haben Prüfungsstress, kein Problem, dafür
gibt es Valium und eine Endzündung im Körper wird sofort mit
schweren Antibiotika beschossen.
Aber es geht auch viel elementarer und sanfter. Lassen
sie sich darauf ein und kehren sie wieder zurück, zu den alten
und traditionellen Rezepten.«
Er drückte den Bedienungsknopf und auf der großen
Leinwand erschienen Bilder verschiedener Bäume.
»Wenn sie jetzt durch den Park spazieren gehen, haben
sie sich die alten Weidenbäume dort schon einmal aus der Nähe
angesehen? Dieser Baum ist ein wichtiges Heilmittel der
Indianer. Denn ihre Rinde enthält Salicin, eine chemische
Vorstufe der Acetysalicylsäure, die erst viel später weltbekannt
geworden ist unter dem Namen Aspirin . Doch schon viele
Jahrhunderte vorher kannten indianische Medizinmänner, die
Schamanen, die schmerzlindernde und auch fiebersenkende Wirkung.
Bei Kopfschmerzen bestrichen sie die Stirn des Kranken mit einem
Rindenbrei und das half ihm dann innerhalb weniger Minuten.
Sowohl bei hohem Fieber als auch bei Rheuma, erzielten sie mit
einer lauwarmen Rindenauflage großartige Heilerfolge.
Oder nehmen sie als nächstes Beispiel die Lilie. Eine
reine und unverfälschte Blume.
Sie gilt als Sitz der Seele und hat, wie die Schamanen
schon von Anbeginn wussten, auch eine antiseptische Wirkung um
Wunden schneller heilen zu lassen. Dazu haben sie die Blüten nur
mit Olivenöl übergossen und einfach vier Wochen in die Sonne
gestellt. Danach füllten sie es in eine dunkle Flasche ab und
darin hält es sich bis zu einem Jahr. Ganz und gar ohne
künstliche Chemie.
Langsam wanderte er im Saal auf und ab während er die
Sitzreihen musterte.
Dabei blieb sein Blick auf einem jungen Studenten
hängen. Seit zwei Tagen wies Jeremias Gesicht einen
unnatürlichen Rotton auf und jetzt bemerkte Thomas auch, dass
sich
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