Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
duftest. Das
hört wohl jedes Mädchen gerne.«
»Nein. Ich würde
gerne die Wahrheit hören«, bemerkte sie leise.
»Also gut. Du
riechst für mich wie frisch gepflückte Baumwolle. Wenn man die
watteartige Frucht aus der Schale bricht. Rein und pur. Tut mir
leid«, murmelte er.
Aus den
Augenwinkeln sah er sie an und hatte Angst vor ihrer Reaktion.
Aber Rebecca begann im selben Augenblick zu lächeln.
»Das muss dir
nicht leid tun. Mir gefällt der Gedanke, nach frischer Wäsche zu
riechen. Der Rosenduft passt sowieso eher zu selbstbewussten
Mädchen. Ich dagegen war schon immer ein Mauerblümchen.
Unscheinbar und ein Angsthase.«
»Das sehe ich
nicht so«, entgegnete Ben und beugte sich leicht zu ihr rüber.
»Ich denke, wir
müssen dringend an deinem Selbstbewusstsein arbeiten, hast du
überhaupt schon Mal in den Spiegel geschaut?«
Stumm schüttelte
sie den Kopf.
»Warum denkst du,
das du minderwertig bist?«, tastete er sich vorsichtig vor.
»Keine Ahnung.
Meine beste Freundin Stella in England hat mich das auch schon
tausendmal gefragt. Ich liebe sie und sie ist mein ganzes Leben
lang mein Vorbild gewesen. All das was ich nicht bin, verkörpert
sie. Stella ist schön, selbstbewusst und geht auf alles und
jedem offen zu. Ich dagegen hatte schon immer tausend Ängste.
Ich fürchte mich in der Dunkelheit, bei Gewitter verkrieche ich
mich unter die Bettdecke und beim Anblick einer Spinne reagiere
ich hysterisch. Stella braucht den Kick und das Adrenalin des
Abenteuers, sie ist so mutig. Aber ich habe mir immer nur
Beständigkeit in meinem Leben gewünscht.«
Traurig strich sie
sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
Ben hatte ihr
still zugehört und keine Miene verzogen. Es war das erste Mal,
dass sie so viel Persönliches am einen Stück von sich erzählt
hatte.
»Möchtest du über
die bestimmte Nacht reden?«, fragte er leise.
»Nein…, noch
nicht.«
»Das ist in
Ordnung«, entgegnete er fast beiläufig.
»Aber für den
Fall, dass du doch irgendwann mal reden möchtest, ich bin für
dich da.«
Erstaunt sah sie
zu ihm rüber. Außer Amy war er der erste Mensch, der sie in Ruhe
ließ und nicht versuchte sie zum reden zu zwingen. Ben betrachte
ihre zerbrechlich wirkende Gestalt in dem viel zu großem
Pullover nachdenklich. Er konnte es sich nicht erklären warum,
aber er verspürte den Wunsch noch stundenlang neben ihr zu
sitzen und sie anzusehen. Irgendetwas hatte sie an sich, das ihn
auf eine unbestimmte Weise berührte.
Unvermittelt flog
die Tür auf und beide blickten erschrocken auf, als Rachel ins
Zimmer polterte.
»Hallo Ben! Mahu
hat mir erzählt, das ihr hier seid.« Neugierig blickte sie von
einem zum anderen.
»Was macht ihr
hier? Habe ich was verpasst?«
»Nein, nicht im
geringsten«, murmelte Ben und stand verärgert auf.
»Nun, so
interessant wird es schon nicht gewesen sein«, kicherte sie und
sah zu ihrer Schwester rüber.
»Ich komme dich
abholen. Wenn wir uns jetzt beeilen, dann schaffen wir es noch
in die Spätvorstellung.«
Seufzend erhob
sich auch Rebecca. Das erste, zaghafte Gefühl der Verbundenheit
mit Ben, hatte ihre Schwester durch ihr Auftreten erfolgreich
zunichte gemacht. Zögernd blickte sie an sich herunter. Sie trug
immer noch den riesigen, wärmenden Fleecepulli, der seinen
Geruch verströmte und ihre eigenen Sachen waren mit Sicherheit
noch nicht trocken. Ben schien ihre Gedanken lesen zu können.
»Behalte ihn an
und geb ihn mir einfach irgendwann zurück.«
Dann drehte er
sich um, ging zur Tür und begleitete sie nach draußen. Rachel
drängte sie zur Eile, aber Rebecca blieb unschlüssig stehen.
Sie verspürte
komischerweise noch nicht die geringste Lust, sich von Benn zu
verabschieden. Ihm schien es ähnlich zu gehen und impulsiv rief
er ihr nach:»Rebecca?«
»Ja…?« In leiser
Erwartung drehte sie sich um.
»Hast du
vielleicht Lust, morgen wieder her zu kommen? Wir könnten einen
Ausritt in die Berge machen.«
Hinter ihnen
erklang erheiterndes Gelächter.
»Reiten, auf einem
Pferd… meine Schwester…?« Rachel konnte sich kaum noch
einkriegen.
Rebecca schoss
eine flammende Röte der Verlegenheit ins Gesicht. Hilflos drehte
sie sich um und starrte ihre Schwester verletzt an. Doch jetzt
war es raus und sie konnte es nicht mehr ungeschehen machen.
Traurig biss sie sich auf die Unterlippe. Ihre
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