Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
der Schneelandschaft. In der Nähe hörte sie das
leise Wiehern und Schnauben der Pferde, in der sich noch ein
leises Plätschern und Rauschen mischte. Erstaunt blieb sie
stehen und versuchte herauszufinden, von wo das Geräusch kam.
Andächtig lauschte sie und dann war sie sich sicher, dass es von
rechts kam. Neugierig betrat sie den schmalen gewundenen Weg,
der durch eine Allee von hohen Erdbeerbäumen führte. Nach
wenigen Metern blieb sie verzückt stehen und zum ersten Mal seit
langer Zeit, stahl sich ein Anflug von Freude in ihr Gesicht.
So muss es im
Paradies sein, dachte sie ehrfürchtig. Vor ihren Augen
erstreckte sich eine kilometerweite bunte Wildblumenwiese und
mittendrin lag, wie eingebettet, ein kleiner romantischer Teich.
Am seinem Ufer blühten zwischen dem Schilfgras unzählige
rosafarbene Tulpen, tiefroter Mohn und hellgelbe Butterblumen um
die Wette. Staunend trat sie näher und sah in das zartgrüne
Wasser. Der Teich schien nicht besonders tief zu sein, denn sie
konnte bis auf den Grund blicken.
Nach und nach
kamen kleine, silberschimmernde Fische neugierig auf sie zu
geschwommen. Mit ihren filigranen, irisierenden Schwanzflossen
sahen sie beinahe wie kleine Meerjungfrauen aus. Fast schien es,
als wollten sie die Fische begrüßen. Rebecca lachte leise,
atmete dann tief ein und sah sich um. Das war der schönste Ort,
den sie je gesehen hatte. Am beeindrucktesten empfand sie die
grenzenlose Stille, die hier herrschte.
Hier waren nur das
leise Rauschen des Windes und das Plätschern des kleinen
Wasserfalls zu hören. Niemand war hier. Kein Psychiater, der sie
andauernd vollquatschte oder bedrängte, über das schreckliches
Erlebnis zu reden, weil sie ansonsten einen seelischen Schaden
nehmen würde. Als wenn sie nicht schon geschädigt genug war.
Aufseufzend starrte sie wieder auf den Teich. Ihr Gesicht
spiegelte sich auf der Wasseroberfläche und die Realität holte
sie selbst an diesen Ort wieder ein. Zutiefst frustriert
betrachtete sie ihr Spiegelbild.
Sie sah ein
blasses verängstigtes Gesicht, mit traurigen braunen Augen, die
von tiefen Schatten umrandet waren und schwarze, lieblos
gekämmte Haare, die sich um ihre Schultern lockten. Eine durch
und durch unscheinbare Gestalt, in abgewetzten Jeans und einer
roten Trainingsjacke. Das einzig Gute seit dem Drama war, das
sie jetzt schon 15 Kilo verloren und somit nicht mehr das Gefühl
hatte, als wandelndes Hängebauchschweinchen durch die Welt zu
laufen. Trotzdem konnte sie ihrem Spiegelbild im Wasser
keinerlei Sympathien entgegen bringen.
Unwillig
schüttelte sie mit dem Kopf. Sie war noch immer das hässliche
Entlein. Vom schönen Schwan meilenweit entfernt. Plötzlich
stutzte sie, denn jetzt sah sie noch etwas anderes.
Stirnrunzelnd beugte sich weiter vor und beobachtete eine
vereinzelte Wolke im Wasser, die jetzt von einer flirrenden
Gestalt durchbrochen wurde. Und dann sah sie, wie ein großer,
mächtiger Tierkörper blitzartig auf sie zuschoss. Zu Tode
erschrocken drehte sie sich um und schrie auf. Über das Gatter
der Pferdekoppel, setzte ein riesiger, schneeweißer Puma zum
Sprung an– direkt auf sie zu.
»Nein… bitte
nicht«, schrie sie.
Panikartig wich
sie zurück, strauchelte über einen Stein und fiel rückwärts ins
Gras. Hysterisch krabbelte sie weiter und ruderte mit
ihren Armen nach hinten, um einen Halt zu finden. Dann planschte
es und das Wasser spritze ihr in die Augen. Trotz des eiskalten
Wassers, das jetzt langsam die Ärmel ihres Trainingsanzuges
durchdrang, spürte sie den Angstschweiß auf ihrer Stirn
ausbrechen. Wie in Zeitlupe sah sie, wie der Puma mit einem
punktgenauen Sprung anmutig vor ihr im Gras landete. Jäh spürte
sie, wie alles Blut aus ihrem Gesicht wich. Das Tier schien sich
auch zutiefst erschrocken zu haben.
Stocksteif stand
der Puma vor ihr und verharrte abrupt in seinen Bewegungen. Ein
Ton, wie ein leises unterdrücktes Jaulen kam aus seiner Kehle.
Ruckartig drehte er sich jetzt um und sprang zu dem
tempelartigen Gebäude, das in einiger Entfernung stand. Rebecca
saß noch immer wie gelähmt da, nicht in der Lage sich zu
bewegen. Wie festgenagelt krallten sich ihre Hände am Teichufer
fest. Irgendwann hörte sie hinter ihrem Rücken ein leises
Knacken. Angsterfüllt schnellte sie herum und war in diesem
Moment schon auf alles gefasst.
Als sie sah, wer
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