Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
einen Schritt im Voraus.
Und mein Dad ist unser aller Vorbild. Er kann einfach alles
perfekt. Darum ist er von den Dogianern auch als weltliches
Oberhaupt der Geisterkrieger bestimmt worden. Alles, was hier
auf der Erde passiert, wird von Milton geleitet.«
Ein Pfeifton
erklang, als das Wasser kochte. Schweigend füllte er die beiden
Becher auf und sofort durchzog sich der Raum mit dem würzigen
Duft der Teemischung.
»Komm, setzt dich
neben dem Kachelofen, dann wird dir gleich wieder warm werden.«
Er ging vor und
zog den kleinen Beistelltisch vor die Sofaecke. Rebecca nahm im
Schneidersitz Platz, lehnte ihren Rücken wollig gegen den
Kachelofen und begann vorsichtig den heißen Tee zu schlürfen.
Langsam fühlte sie, wie durch ihre Arme wieder das Blut zu
pulsieren begann. Zögernd schielte sie zu Ben. Er hatte sich in
die andere Sofaecke gekuschelt und spielte gedankenverloren mit
dem kleinen silbernen Löffel.
»Und du«, fragte
sie schüchtern, »welche besonderen Eigenschaften hast du? Außer
dass du dich in einen Puma verwandeln kannst und mich fast zu
Tode erschrocken hast?«
Ben sah sie an. Er
hatte gewusst, dass diese Frage kommen würde.
»Du weißt dass mir
das leid tut«, antwortete er zerknirscht. »Ich habe dich dort am
Teich einfach nicht erwartet. Ich habe nur ganz selten Visionen
und die meisten davon sind auch niemals sehr weltbewegend. Bei
mir ist mein Geruchssinn verstärkt ausgebildet. Was manchmal
verdammt lästig sein kann. In meiner menschlichen Gestalt rieche
ich üble Gerüche, wie Schweiß oder Angst, tausendmal stärker.
Selten begegnen mir gute Gerüche. Darum ziehe ich mich sehr oft
zurück. Ich bin am allerliebsten ganz allein mit mir und
inmitten der Natur. Normalerweise nehmen alle Geisterkrieger
ihre jeweilige Tiergestalt nur bei Gefahr an. Ich bin wohl etwas
aus der Art geschlagen«, lachte er schief.
»Im Gegensatz zu
meiner Familie, fühle ich mich in meinem Tierkörper sehr viel
wohler, als in meiner menschlichen Hülle.«
Ben seufzte leise
auf, bevor er weitersprach und sie hörte ihm fasziniert zu.
»Nicht nur du hast
Ängste, Rebecca. Auch ich fühle mich nicht sehr wohl in
meiner Haut. Ich habe mir das Leben als Gestaltwandler nicht
freiwillig ausgesucht. Manchmal denke ich, dass es mich
innerlich zerreißt. In diesen Momenten bin ich auch sehr
traurig, genauso wie du. Nur wenn ich mich verwandle, nur dann
fühle ich mich einigermaßen glücklich und irgendwie von der Welt
und ihrem Wahnsinn befreit. Dann rieche ich das frisch gemähte
Heu, die Blumen - die nach Orient duften und die Schmetterlinge.
Wusstest du, das auch sie einen eigenen Geruch haben«, er lachte
begeistert auf.
»Wenn sie auf
meine Hand fliegen und mit ihren Flügeln flattern, dann
verströmen sie ein ganz zartes Vanillearoma. Wenn ich diese
einzigartige Welt der Natur betrete, dann fühle ich mich jedes
Mal vollkommen. Dann bin ich glücklich und fühle mich nicht mehr
so plump und hin und hergerissen in meinem Dasein als Halbwesen.
Nur das gibt mir die Kraft, um in meiner menschlichen Hülle
weiterzuleben. Aber der absolut schönste Duft auf der Welt ist
für mich ein warmer Pferdekörper. Sie riechen wie frisch
gemähtes Heu und gleichzeitig auch nach nassem Mahagoniholz, das
in der Sonne liegt. Das war bis vor kurzen mein Lieblingsduft.«
Verwirrt strich er
sich die Haare aus der Stirn und schwieg danach. Eigentlich
hatte er gar nicht vorgehabt, so viel Persönliches von sich
preis zu geben. Aber scheinbar weckte sie eine Seite in ihm, die
er vorher noch mit keinen anderen Menschen geteilt hatte. Sogar
seine Mutter ahnte nicht, wie es in seinem Innersten aussah.
Rebecca hatte ihm
staunend zugehört. Zum ersten Mal spürte sie das Gefühl, nicht
mehr ganz alleine mit ihren Ängsten zu sein.
»Warum hast du
gesagt, es war dein Lieblingsduft. Was ist es denn
jetzt?«, fragte sie interessiert und sah ihn an.
Ben schluckte
leicht und schien mit einen mal sehr verlegen zu sein. Das hatte
Rebecca vorher noch nie an ihm bemerkt.
» Du riechst
auch sehr gut…«
»Tatsächlich?.«
Überrascht blickte sie ihn an.
»Nach was denn?«
Ben fuhr sich
nervös durch sein kurzes Haar und fixierte einen Punkt über
ihren Kopf.
»Ich weiß nicht,
wie ich es dir beschreiben soll. Wahrscheinlich sollte ich dir
jetzt erzählen, dass du nach Rosen oder so ähnlich
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