Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
nicht du.«
Erneut stieß er
ein hysterisches Lachen aus.
»Ich werde seine
zweite Hand werden. Bald wird dein Blut aus meinem Körper
verschwunden sein.«
»Lanu, wer um
Himmels willen hat dir das eingeredet?«, Michael schrie die Wort
fast, aber sie schienen nicht mehr zu ihm durchzudringen, denn
Lanu starrte jetzt ausdruckslos an der Gewölbedecke. Michael
wurde beklommen zu Mute, als er die surrealen Träume von Lanu
empfing. Bilder aus ihrer gemeinsamen Kindheit zogen vorbei.
Zwei kleine, unschuldige Jungen mit Zahnlücken, die sich um den
Basketball stritten und anschließend bei einem Burger und einer
Coke wieder ein Herz und eine Seele waren. Dann sah er, wie sie
sich in den Wald schlichen. Lanu hatte eine Rasierklinge von
seinem Vater mitgebracht. Damit ritzten sie sich andächtig mit
einem scharfen Schnitt in den Zeigefinger. Danach hatten sich
beide, mit der ganzen Ernsthaftigkeit ihrer 13 Jahre, ewige
Blutsbrüderschaft geschworen, als sie ihre Finger mit ihrem Blut
vereinten. Die nächsten Bilder zeigten zwei junge Männer, auf
dem Campus der Medizin Akademie.
Jung und
unbeschwert.
Lanu, wie immer
auf der Suche nach schönen Mädchen und Michael- erwachsen und in
sich gekehrt. In diesen Punkt hatten sich ihre Ansichten schon
immer unterschieden. Michael hatte schon damals eine klare
Meinung zu diesem Thema. Der Liebe zu begegnen, ohne sie zu
suchen, war für ihn schon immer der einzige Weg, um sie zu
finden. Lanu dagegen nahm alles mit, was er bekommen konnte oder
sich ihm an den Hals warf.
Und doch
respektierten sich die beiden Männer auf ihrer Weise, ihr ganzes
Leben lang. Michael zuckte erschrocken zusammen, denn
urplötzlich schweiften Lanus Gedanken um und er konnte seine
abgöttische Liebe zu seiner Schwester Suletu fühlen. In der
Schule hatte er sie konstant ignoriert und als Klette
bezeichnet. Aber zu Hause, wenn sie Liebeskummer hatte und
weinte, war Lanu immer der erste gewesen, der sie tröstend in
die Arme nahm.
Jetzt spürte
Michael kurz die Traurigkeit, die sich in Lanus Gesicht
widerspiegelte. Doch unmittelbar danach schwenkte Lanus
Traurigkeit in Wut um, als in den Visionen sein Vater
auftauchte. Streng, kompromisslos und unerbittlich hatte er
seinen einzigen Sohn gedrillt, um ihn auf die heilige Aufgabe
als Geisterkrieger und heiliger Hüter der Lilien vorzubereiten.
Aber Regeln zu respektieren war nie sein Ding gewesen. Lanu
wollte immer die absolute Freiheit. Erneut begann er wie ein
Verrückter zu lachen und schien sich immer mehr von der realen
Welt zu verabschieden. Fast wütend spuckte er die nächsten Worte
aus.
»Michael. Ab heute
sind wir keine Blutsbrüder mehr. Wenn er mich verwandelt hat,
dann werde ich kommen, um dich zu töten. Dich und alles
verdammte Gute dieser Welt… Hahahaha…«, makaber lachte er auf,
nicht mehr imstande der Realität ins Auge zu sehen.
In diesem Moment
spürte Michael eine Kraft, die sich näherte und die Lanus
Gedanken mehr und mehr vernebelte.
»Mein Bruder«,
flüsterte er, »bleib bei mir. Geh nicht den Weg des Bösen, ich
bitte dich inständig.«
Doch er schien
nicht mehr zu ihm vorzudringen.
Jetzt erschien ein
helles, imaginäres Licht in der Grotte und eine große, dunkle
Gestalt in einem langen Umhang erschien. Unter der Kapuze
schimmerten zwei rotglühende Augen hervor.
»Nein…« Michael
schrie auf und wollte die zeitliche Dimension durchbrechen, um
ihn zu Hilfe zueilen. Aber eine kalte Macht, die stärker als die
seine war, lähmte ihn. Unfähig seinen Körper zu bewegen, krallte
er seine Finger am Schreibtisch fest und konnte dem satanischen
Schauspiel nur tatenlos zusehen.
»Bist du bereit,
dem Guten abzuschwören und nur mir, deinem neuem Gott zu
dienen?«, fragte eine animalische und dunkle Stimme.
»Ja mein
Herrscher, das bin ich«, flüsterte Lanu vollkommen
entrückt.«
»Bist du bereit,
das Gute auf der Welt zu bekämpfen, deine Seele und die aller
Menschen an mich zu übertragen? Bist du bereit, deinen
Blutsbruder zu töten, um mir zu dienen?«
Michael hielt den
Atem an und versuchte verzweifelt zu ihm durchzudringen, aber es
war unmöglich. Lanus Gedankengänge waren jetzt nicht mehr Teil
der normalen Welt.
»Ja, ich bin
bereit«, sprach Lanu jetzt mit einer klaren und andersartigen
Stimme. Ab jetzt habe ich keine Familie und auch keinen Bruder
mehr.
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