Tränen des Mondes
verschmitzten Lächeln fest. »Keine Ahnung, wer das sein könnte. War vor meiner Zeit.«
Die anderen bekräftigten das mit einem Nicken, und Lily steckte das Foto wieder in die Handtasche.
Danach entwickelte sich eine angeregte Unterhaltung zwischen Lily und den übrigen Bargästen, die ihr zu ihrer Belustigung haarsträubende Geschichten und Anekdoten aus alten Zeiten auftischten. Irgendwann wurde sie müde, und sie verabschiedete sich von der Runde.
»Dank der Zeitzonen war mein Tag heute drei Stunden länger als der Ihre«, sagte sie zur Erklärung und auch, um der Bestellung einer weiteren Runde zuvorzukommen. »Es war sehr nett mit Ihnen allen, ich hoffe, wir können unsere Unterhaltung ein andermal fortsetzen.«
»Aber immer. Sie finden uns abends meistens hier in der Bar«. Clancy klang ehrlich begeistert.
Die Männer verfolgten die schlanke Gestalt mit anerkennendem Blick auf ihrem Weg nach draußen.
»Hübscher Käfer. Was meint ihr, was sie hier sucht?« überlegte Clancy laut.
»Schwer zu sagen«, meinte der Barkeeper. »Jedenfalls hat sie für ein paar Wochen gebucht.«
Am nächsten Morgen nahm Lily ihr Frühstück unter den üppigen Bougainvilen auf ihrer Terrasse ein. Auf dem Frühstückstablett lag ein kleines Schreiben, in dem die Hotelleitung sich dafür entschuldigte, daß es anstelle von Croissants leider nur Muffins gab und daß die Tageszeitung erst mit der Mittagsmaschine eintreffen würde. Dafür hatte man ihr eine Broschüre ›Sehenswertes in Broome und im Kimberley-Distrikt‹ beigelegt. Lily schaltete das Radio an ihrem Bett ein und suchte vergeblich nach einem Sender mit Nachrichten. Also trank sie ihren Tee, bevor er kalt wurde.
Später erschien sie in Jeans und Hemd an der Rezeption und erkundigte sich nach dem Weg zum Historischen Museum. Die junge Frau am Empfang legte die Stirn in Falten.
»Ich glaube, das ist im alten Zollhaus«, half Lily ihr auf die Sprünge.
»Ach so, ja, das ist im
Seaview Shopping Centre
, einfach nur die Straße runter«, erinnerte sich die Frau.
Draußen wurde Lily von einer angenehmen Brise empfangen. Beim Anblick der weitläufigen Roebuck Bay, die sich vor ihr ausbreitete, stockte Lily der Atem. Kleine Wellen schwappten an dicken Mangrovenwurzeln hoch, vereinzelt ragten rostrote Felsen aus dem wundervoll türkis-blauen Meer.
Lily stand da und schaute fasziniert auf das grandiose Farbspektakel. Milchige Stellen ließen das Meer wie gefroren erscheinen, und über dem Ganzen wölbte sich ein tiefblauer, geradezu transparenter Himmel.
Sie wanderte weiter und fand sich bald darauf vor einem weiteren Überrest aus der Vergangenheit. Sie konnte sich nicht erklären, was diesmal ihre Aufmerksamkeit weckte. Es war nur ein kleiner verlassener Laden direkt am Meer. Das rostige Wellblechdach war blutrot wie die Felsen, die Wände dünn und voller Löcher, und durch Spalten und Fenster konnte Lily im Inneren Stapel verrottender Austernkörbe, Netze und Taue entdecken. Sie wanderte um das Häuschen herum, machte ein Foto und rätselte immer noch, was sie an diesem Ort so faszinierte.
An dem kleinen weißen Holzhaus, in dem das Historische Museum untergebracht war, stand auf einem blanken Metallschild zu lesen, daß sich hier vormals die alte Zollstation befunden hatte. Teile von Taucherausrüstungen, Handpumpen von Loggern und Hausgerät aus Pioniertagen lagen in dem kleinen Vorgarten herum. Auf der schmalen Veranda standen Vitrinen mit Ausstellungsstücken, sie waren wohl abgeschlossen, aber vertrauensvoll dem Zugang des Betrachters überlassen.
Lily trat auf die Eingangstür zu, an der ein großes Schild › KLIMATISIERT , BITTE EINTRETEN ‹ hing. Darunter entdeckte Lily den kleinen handschriftlichen Hinweis › FÜR EIN PAAR TAGE GESCHLOSSEN ‹. Mit einem amüsierten Lächeln fragte sie sich, wie lange der Zettel wohl schon da hing und wie sie trotzdem Zugang zu dem kleinen Museum bekommen konnte. Sie ging in ihr Hotel zurück und rief die Autovermietung an, die man ihr empfohlen hatte.
Kurze Zeit später erschien eine lebhafte Frau in einem kleinen Geländewagen. Auf der Fahrt zu der Blechbaracke, die der Frau als Büro diente, erzählte sie Lily ihre gesamte Lebensgeschichte und daß ihre Ehe sich erheblich gebessert hatte, seit sie und ihr Mann von der Ostküste nach Broome gezogen waren. Lily sann darüber nach, inwiefern die Geographie Einfluß auf eine Ehe zu nehmen vermochte.
Sie erledigten kurz die Formalitäten und schon rollte Lily in
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