Tränen des Mondes
weißen Lendenschurze und einfache weiße Hemden, ihr Haar war im Nacken zu einem festen Knoten gebunden. Sie tauchten unter und kamen wieder nach oben wie ein Schwarm fröhlicher Delphine. Zwischen ihnen ruderten Männer, die die gefüllten Kübel einsammelten.
Tyndall erinnerte sich an die Aboriginefrauen, die in den Anfangstagen der australischen Perlenfischerei nach Perlmuscheln getaucht waren. »Das ist leichter als mit dem schweren Anzug, was, Yoshi?« sagte Tyndall.
»Vielleicht eine davon gute Frau für mich«, grinste er zurück.
Tyndall stellte sich etwas linkisch an, als er sich mit seinen langen Beinen Mikimoto gegenüber auf das Polster am Boden setzte. Mikimoto war ein Mann mit markanten Gesichtszügen, der, obwohl in den Fünfzigern, immer noch jung aussah und einen einfachen schwarzen Baumwollkimono trug. Auf dem niedrigen Kirschholztisch zwischen ihnen standen kleine Schälchen mit dampfendem Tee.
Mikimoto wandte sich auf englisch an Tyndall. »Sie wollen also Perlen ziehen wie die Rüben, Kapitän Tyndall?«
»Genau wie Sie, Mikimoto San!«
Der imposante Mann warf den Kopf zurück und lachte herzlich. »Das ist wahr. Ich hatte einen Traum und habe ihn niemals aufgegeben. Das hat mich manchmal viel gekostet … mein Geld, mein Familienleben, zu gewissen Zeiten sogar meinen guten Ruf! Meine geliebte Ume, meine verstorbene Frau, stand mir immer zur Seite und hat es mir ermöglicht, mit meinen Versuchen fortzufahren. Leider konnte sie den Tag nicht mehr erleben, als ich die erste vollkommene runde Perle erzeugt hatte. Aber ziehen Sie daraus eine Lehre: Sie dürfen nie aufgeben, was Ihr Herz aufrichtig ersehnt.«
Tyndall dachte unvermittelt an Olivia, doch er kehrte mit seinen Fragen zurück zu den Einzelheiten der Perlenzucht. Mikimoto war zwar mit seinen Informationen großzügig, gab aber, wie Tyndall vermutet hatte, nicht alle seine Geheimnisse preis.
Später wurden Tyndall und Yoshi durch das Familienunternehmen geführt, ein kleines Königreich für sich. Ihr Besuch überzeugte sie davon, daß auch sie in den geschützten Buchten des Nordwestens Zuchtversuche anstellen sollten. Yoshi kehrte in sein Dorf zurück, um letzte Vorbereitungen zu treffen, damit die Braut, die er gewählt hatte, nach Australien übersiedeln konnte, dann traf er sich mit Tyndall in Yokohama zur Heimreise.
Doch kaum waren sie nach Broome mit seinem überschäumenden Gesellschaftsleben zurückgekehrt, als in Europa der Krieg erklärt wurde. Tyndalls Pläne, seinem Unternehmen mit der Perlenzucht neue Horizonte zu eröffnen, wurden erst einmal auf Eis gelegt, und als sich der Krieg immer länger hinzog, brach der Perlmuttmarkt zusammen.
Olivias Blick ruhte auf ihrem hochgewachsenen jungen Sohn, der in seiner Uniform der Königlich Australischen Marine stolz vor ihr stand. Wie gut er aussah! Trotzdem brach es ihr schier das Herz.
Hamish las den Schmerz in den Augen seiner Mutter. »Keine Bange, Mammi. Es dauert noch ein paar Monate, bis ich in See steche.«
»Bist du auch ganz sicher, daß du das Richtige tust, Liebling? Ich bin stolz darauf, daß du dich so schnell als Freiwilliger gemeldet hast, aber du bist erst zwanzig …«
»Mammi, es ist unsere Pflicht! Du und Papa, ihr seid aus England hergekommen. Wir gehören zum Britischen Empire und sind unserem Mutterland unsere Hilfe schuldig.«
Olivia bewunderte seinen Patriotismus, sorgte sich aber wegen der Gefahren, die auf ihn zukamen. Hamish betrachtete den Eintritt in die Marine nicht nur als ein Abenteuer oder als Dienst an seinem Vaterland, sondern auch als Möglichkeit, Karriere zu machen. Es zog ihn unwiderstehlich zur See, seit Tyndall ihn zum ersten Mal auf dem nach seinem Vater benannten Logger mitgenommen hatte.
Hamish war schon als Kadett zu den Reservisten der Königlich Australischen Marine gestoßen, als er noch zur Schule ging, und hatte mit den Jahren seine Ausbildung fortgesetzt, jede Woche an einem Übungsabend und außerdem an jährlichen Trainingslagern und gelegentlichen Kursen teilgenommen. Olivia freute sich, daß er schon in jungen Jahren seine Interessen und seine Leidenschaft entdeckt hatte.
Bei Ausbruch des Kriegs meldete er sich also als ausgebildetes Mitglied der Reserve und wurde zu einer Marineeinheit nach Albany geschickt, um Ankerplätze für Kriegsschiffe einzurichten und eine militärische Beobachtungsstation aufzubauen.
In dieser Zeit schrieb Hamish an Tyndall:
Lieber Onkel John,
ich amüsiere mich hier so
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