Tränen des Mondes
überzeugt, daß natürliche Perlen durch nichts zu ersetzen wären, doch möglicherweise wären die Muschelgründe irgendwann erschöpft. Die Perlenfischer hatten in all den Jahren nichts weiter gelernt, als überfischte Gründe ruhen zu lassen, bis sich der Bestand von selbst erneuerte. Tyndall erkannte jetzt die Möglichkeit eines lukrativen Nebengeschäfts, eines Alternativangebots für alle, die sich keine echten Perlen leisten konnten. Mikimotos Zuchtperlen aus Japan wurden schließlich als richtige Perlen anerkannt, und der clevere ›Perlenkönig‹ hatte zwei riesige Perlenfarmen errichtet, dazu eine Fabrik in Tokio, in der junge Japanerinnen die Herstellung von Schmuck erlernten. Außerdem hatte er seine eigenen Perlengeschäfte eröffnet.
Auf der Rückkehr von ihrer letzten Fahrt der Saison reifte in Tyndall die Entscheidung, sich die Erfolge Mikimotos näher anzusehen. Die
Bulan
glitt zügig dahin, mit Wind fast genau von achtern, und Tyndall und Yoshi standen entspannt am Ruder und rauchten.
Sie schwiegen nun schon eine ganze Weile, genossen aber stumm die schöne Fahrt und den Frieden eines herrlichen Tags auf See.
»Wie wär's mit einer Reise nach Hause, Yoshi?« fragte Tyndall plötzlich.
»Nach Hause, Käpt'n?« fragte Yoshi ohne erkennbare Gefühlsregung zurück.
»Ja. Nach Japan. Deine Familie, deine Freunde besuchen.«
Yoshi war erst ein einziges Mal nach Hause gefahren, als er noch auf Thursday Island arbeitete, vor seiner Zeit in Broome. Doch den größten Teil seines Verdiensts schickte er nach Japan. Er zog an seiner Zigarette. Tyndall wartete geduldig.
»Vertrag. Keine Zeit für Reise, Käpt'n.« Yoshi sagte nie ein Wort zuviel, durch seinen Vertrag war er noch mehrere Jahre gebunden.
»Aber das wäre doch ein netter Gedanke, oder?« fügte Tyndall hinzu, und Yoshi lächelte. Jetzt begriff er, daß sich der weiße Boss mit ihm nur einen Spaß erlauben wollte. Westlicher Humor blieb ihm immer ein Rätsel. Tyndall wandte sich zu ihm um und sah, wie er grinste.
»Weißt du«, fuhr Tyndall fort, »ich überlege mir gerade, ob ich nicht in der Regenzeit nach Japan fahren soll, ich würde dich gern mitnehmen. Auf Kosten der Firma. Aber wir werden dort arbeiten müssen. Was meinst du?«
Er hörte, wie Yoshi tief Luft holte, nur selten gab er seine Gefühle so deutlich zu erkennen. »Aha«, sagte er dann leise, »wir arbeiten in Japan. Was für eine Arbeit?«
»Es geht um Perlen, Yoshi. Mikimotos Perlen. Ich glaube, wir sollten uns beide endlich mal ansehen, was der Kerl so treibt.« Tyndall wartete, daß Yoshi etwas darauf erwiderte, dann lachte er und fügte hinzu: »Vielleicht ist das eine Gelegenheit für dich, eine Frau zu finden, Yoshi. Du heiratest ein nettes Mädchen und nimmst sie mit nach Broome.«
Yoshi lächelte kurz, dann streckte er Tyndall die Faust mit dem nach oben gereckten Daumen hin, was Tyndall im selben Stil beantwortete. Das genügte, damit die Abmachung für beide bindend war.
Kapitän Evans bekam den Auftrag, die Flotte während der Ruhezeit neu auszurüsten, Toby Metta würde die Perlen bearbeiten und sie Olivia übergeben, die Perlmutternte wurde rasch verkauft, mit einem kleinen Preisnachlaß, damit die Japanreise und die während der Regenzeit anfallenden Arbeiten finanziert werden konnten. Tyndall legte die Leitung der Geschäfte in Ahmeds Hände und bestieg mit Yoshi den Dampfer, zuerst ging es nach Darwin, dann nach Singapur und schließlich nach Yokohama.
Es war nicht leicht gewesen, mit Kokichi Mikimoto in Verbindung zu treten, trotz der sorgfältig abgefaßten Briefe, die Tyndall auf japanisch schreiben ließ. Doch schließlich machte sich seine Beharrlichkeit bezahlt, er bekam eine Einladung und rief Yoshi aus dessen Dorf zu sich. Die beiden fuhren zur Insel Tatoku in der Bucht von Ago, wo Mikimoto seine so erfolgreichen Perlenzuchtversuche durchgeführt hatte.
Das kleine Fährboot nahm Kurs auf das Ufer, und als es auf den Anlegeplatz zutuckerte, wurde Tyndalls und Yoshis Neugier durch Holzkübel geweckt, die von Seilen gesichert auf dem Wasser hüpften. Yoshi unterhielt sich kurz mit dem Steuermann, der sie grinsend näher heranfuhr und den Motor drosselte. Plötzlich tauchten mehrere Frauen auf und warfen Austern in die Kübel. Sie tauchten ohne jegliche Ausrüstung. Yoshi fragte den Steuermann und übersetzte. »Frauen bessere Taucher als Männer. Können bis drei Meter tief tauchen, kein Problem.«
Die Taucherinnen trugen die traditionellen
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