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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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hinunter, die jetzt mit rotem Staub bedeckt waren. Auch die Beine seiner weißen Segeltuchhose waren mit einer feinen roten Puderschicht überzogen. Er zuckte mit den Achseln und trat aus dem spärlichen Schatten des dickbäuchigen Affenbrotbaums heraus – Staub war allgegenwärtig auf der Pferderennbahn von Broome. Die Bahn war immer noch eine ziemlich rauhe Holperstrecke mit begrenztem Platz für die Zuschauer, doch wenigstens war das Buschwerk in der Mitte gerodet worden, so daß man von der Tribüne aus einen ungehinderten Blick auf die gesamte Rennstrecke hatte.
    Das jährliche Treffen war eins der bedeutendsten gesellschaftlichen Ereignisse Broomes, das den Damen die seltene Gelegenheit bot, ihre neuesten Kleidungsstücke zur Schau zu tragen. Beliebt waren Kleider aus Tussahseide und Voile, dazu große Hüte mit Federn und Spitzenschleiern oder knappe, randlose Kappen. Die Frauen hatten sehr unter dem Staub und der herunterbrennenden Sonne zu leiden und welkten zusehends dahin, je weiter der Nachmittag voranschritt. Doch abends beim Ball blühten sie in neuen Abendroben wieder auf.
    Tyndall hatte beim Broome-Cup eine hübsche Summe gewettet und trat an die Absperrung, als der Startschuß fiel.
    Der Favorit, der von einem bekannten Farmer geritten wurde, setzte sich gleich mühelos an die Spitze, und die Wetter freuten sich schon auf ihren Gewinn. Doch in der Zielgeraden löste sich ein Pferd aus dem Pulk, stürmte am Favoriten vorbei und gewann um eine Länge. Der Jockey riß triumphierend den Arm hoch, und zur Überraschung der Zuschauer quollen unter seiner Kappe lange Haare hervor.
    Die Menge brüllte, als man die Tochter einer der ersten Familien der Stadt erkannte, ein kaum erwachsenes junges Mädchen. Der Rennleiter faßte sich an die Stirn, und die Veranstalter liefen hastig zusammen, um über den Fall zu beratschlagen.
    Während jemand nach den Wettbewerbsregeln suchte, rief Tyndall: »Sie hat klar und fair gesiegt, das muß gelten.«
    Die Zuschauer, von denen einige auf den Zaun an der Zielgeraden geklettert waren, aber auch alle, die sich mit einem Wettverlust abzufinden hatten, stellten sich gutgelaunt auf Tyndalls Seite. Der Rennleiter erklärte den Sieg für gültig. Ein großer Jubel brach aus, und alle stürmten zur Bar, man war einhellig der Meinung, daß die Tradition des Broome-Cup, stets für Klatsch und gute Unterhaltung zu sorgen, heute einmal wieder würdig fortgesetzt worden sei.
    Tyndall strich seelenruhig seinen Gewinn ein und kehrte in die Stadt zurück, wo er noch ein paar Drinks kippte, bevor er sich für den Rennball umzog.
    In letzter Zeit hatte er sich in Broome ins Gesellschaftsleben gestürzt und sich hemmungslos gehenlassen, denn die Stadt war im Aufschwung, und es herrschte eine Atmosphäre wilder Lebenslust und leichtfertiger Ausgelassenheit. Daß in Europa vom möglichen Ausbruch eines Krieges die Rede war, hatte wenig Auswirkung auf diesen fernen Außenposten des Britischen Empire, ungeachtet aller Schlagzeilen in London.
    In jener Ballnacht tanzte Tyndall mit Müttern und Töchtern und ließ so manches Herz höher schlagen. Seit sowohl Amy als auch Olivia fort waren, galt er als einer von Broomes begehrtesten Junggesellen, selbst noch als Vierziger. Der rauhbeinige junge Abenteurer war zu einem erfolgreichen Perlenbaron geworden, der voller Tatkraft war und seine Geschäfte immer mehr erweiterte. Seine Erscheinung war immer eindrucksvoller geworden, und sein männlicher Charme hatte im Lauf der Jahre noch zugenommen, ebenso der magische Reiz, der von seinem schillernden Leben ausging.
    Doch für Tyndall war sein Leben von seinen Wünschen weit entfernt. Er dachte jeden Tag an Olivia, manchmal bedrängten ihn auch Gedanken an seine verlorene Tochter Maya, was immer wieder Traurigkeit und schmerzhafte Verlustgefühle in ihm auslöste. Irgendwie nahm die Vorstellung von ihm Besitz, auf den Frauen in seinem Leben laste ein Fluch, und unbewußt hielt er alle Frauen auf Distanz.
     
    Während der Regenzeit arbeitete Tyndall mit Yoshis Hilfe an einem Zuchtperlenprojekt. Erst hatte er den Gedanken an künstliche Perlen von sich gewiesen, obwohl gezüchtete Perlen schon gegen Ende der 90er Jahre auf dem japanischen Markt aufgetaucht waren. Doch Yoshis Interesse war durch Briefe japanischer Freunde und gelegentliche Zeitungsartikel entfacht worden. Er konnte schließlich auch Tyndall für die Idee begeistern, und dieser beschloß, sich näher damit zu befassen. Zwar war er

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