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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Sie drückte Olivia heftig an sich, und Olivia schossen die Tränen in die Augen. Minnie hatte in ihrem Leben in Broome immer einen wichtigen Platz eingenommen.
    »Ich habe dir jemanden mitgebracht, Minnie.« Georgie rannte an Minnie vorbei auf die Veranda. »Das ist Georgie«, sagte Olivia lachend. Dann drehte sie sich zu Maya um und setzte zu sprechen an: »Und das ist …« Doch sie unterbrach sich, als sie sah, wie sich der Ausdruck von Minnies Gesicht veränderte.
    »Ich weiß, wer das ist. Nicht nötig, sie mir vorzustellen, gehört zu meiner Familie. Das ist Maya, ist jetzt erwachsen.« Die Alte streckte der schüchternen jungen Frau ihre Hand hin. »Hast du immer noch dein Totem, das deine Mama dir gegeben hat?«
    Maya schaute einen Augenblick lang verwirrt, dann faßte sie sich an die Brust und zog den Anhänger hervor, der um ihren Hals hing. Minnie besah ihn sich und nickte mit einem leisen, zufriedenen Murmeln. »Ich koche jetzt Tee, gibt viel zu reden. Haus alles abgeschlossen, aber kein Problem, ich mach schnell Ordnung.« Sie marschierte voraus, packte Georgie und zog sie in ihre Arme. »Nur nicht zu schnell, Mädchen. Ich seh schon, jetzt du mußt aufpassen auf alte Minnie.«
    Maya und Olivia lächelten einander zu und gingen ins Haus.
     
    Am nächsten Abend hatten sie sich mit Rosminahs und Yusefs Hilfe gemütlich in Olivias Haus eingerichtet. Olivia fand es seltsam, daß sie sich gleich wieder so heimisch fühlte. Das Haus barg nur gute Erinnerungen, manche davon waren von Trauer überschattet, doch insgesamt wurden glückliche Zeiten wieder wach: ihr geregeltes Leben mit Conrad und Hamish, der aufregende Aufbau des Perlenunternehmens, Hamish, der mit Maya spielte, als sie noch ein Baby war, die Abenddämmerung mit Tyndall auf der Veranda, gute Freunde wie die Mettas. Und immer drehte sich das Gespräch um Perlen, Tauchen, Logger und Abenteuer. Wie gesetzt ihr Leben dagegen in Fremantle verlief … An diesem Punkt zwang sich Olivia, ihre Gedanken von der Vergangenheit abzuwenden, und malte sich zum hundertsten Mal aus, wie es sein würde, wenn Tyndall seine Tochter wieder in die Arme schlösse.
    Maya stellte keine Fragen über ihn, deshalb drängte ihr auch niemand Auskünfte oder Anekdoten auf. Statt dessen hielt die unbezähmbare, eigensinnige Georgie alle auf Trab.
    »Die wird noch viel Ärger machen«, sagte Minnie später, als sie mit Alf allein war. »Wie Stein im Schuh. Weiß nicht, wo die ausgeschlüpft ist. Ich glaube, Georgie gehört zu einem anderen Stamm. Ist eine Wilde.«
    »Wird sich auswachsen, Minnie. Georgie ist noch klein«, erwiderte Alf.
     
    Yusef wurde beauftragt, Ausschau nach der zurückkehrenden Flotte zu halten. Und so sah er eines Morgens, als sich der Dunst über dem gläsern-goldenen Wasser verzog, das stumm die Mangroven verschluckte, die flimmernden Umrisse von drei Loggern. Ihre fetten Schiffsbäuche aus rotbraunem Eukalyptusholz lagen tief im Wasser, als sie auf das Ufercamp zusteuerten, wo ihre Muschelladung gelöscht würde.
    Yusef trabte durch die Stadt, um Olivia zu berichten, daß Tyndall, Ahmed, Yoshi und Kapitän Evans im Anzug wären.
    Jetzt, da der große Moment gekommen war, überfiel Olivia ein Gefühl der Nervosität. Sie sah Maya an und merkte, daß es ihr genauso ging. Sie beschlossen, Georgie in Minnies Obhut zu lassen, und brachen auf.
     
    Wie oft hatte Tyndall zum Ufer geblickt und sich daran erinnert, wie Olivia dort gestanden hatte, die Haare vom Wind zerzaust, die Augen mit der Hand abschirmend, während sie sie beim Einlaufen beobachtete. Sie konnte es immer kaum erwarten, ihn in die Arme zu schließen, und war gespannt auf die Ausbeute, die sie gemacht hatten. Und da stand sie nun tatsächlich, genau wie er es sich hunderte Male vorgestellt hatte! Er schüttelte den Kopf. Es war einer jener heißen Vormittage, an denen so manche Trugbilder übers Wasser gaukelten.
    Wieder sah er zum Kai. Die niedrigen Schuppen zogen sich als höckriger, verschwommener Strich am Ufer entlang, hier und da hoben sich ein paar Palmen wie Wachtposten gegen den Morgenhimmel ab.
    Sie stand immer noch da. Und neben ihr die schlanke Gestalt einer weiteren Frau. Hüftlange Haare umwehten ihre Schultern, und eine Sekunde lang tauchte ein längst vergangenes Bild vor ihm auf, er sah Niah vor sich, wie sie sich über die Reling der
Shamrock
lehnte, mit ihren langen Haaren, die ihr Gesicht umrahmten und ihre Brüste bedeckten.
    Doch diese beiden Frauen waren Wirklichkeit,

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