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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Fahnenstange, doch als die Nationalhymne gesungen wurde, blieben sie stramm stehen, wie sie es gelernt hatten.
    Als die Hymne verklungen war, gingen sie weiter und schüttelten den Kopf angesichts der Aussicht auf einen Krieg. Wegen der Nachwehen der Wirtschaftskrise waren ohnehin nur noch wenige Logger in Betrieb. Ein Krieg würde den Perlmuttmarkt endgültig zugrunde richten.
     
    Maya zog sich in letzter Zeit auffallend zurück und war oft in Gedanken verloren, es kam Olivia vor, als beunruhige sie außer den Kriegsnachrichten noch etwas anderes. Sie sah so blaß aus und wurde von einem hartnäckigen Husten geplagt. Als Olivia mit Tyndall auf der Veranda saß, wollte sie ihn gerade darauf ansprechen, als Maya leise herauskam und fragte, ob sie sich zu ihnen setzen könne.
    »Was ist denn los, mein Schatz?« fragte Tyndall. »Ich hab dich schon seit Wochen nicht mehr lächeln sehen.«
    »Es gibt im Moment nicht viel Grund zu lächeln, oder?« erwiderte sie seufzend.
    »Kommt darauf an«, sagte Tyndall. »Du könntest lächeln, weil du in einem abgelegenen kleinen Nest wohnst, wo du in Sicherheit bist, weil du da drüben einen herrlichen Sonnenuntergang bewundern kannst und weil du eine Familie hast, die dich liebt.«
    »Du hast ja recht, Papa, aber der Krieg macht mir Sorgen. Was wird aus uns allen werden? Die Geschäfte gehen nicht gut.« Sie seufzte tief und lehnte sich in ihrem Liegestuhl zurück, als wäre sie sehr müde. »Da ist noch etwas anderes. Aus irgendeinem Grund zieht es mich zu meiner Sippe, ich möchte gern die Küste hinunterfahren und sie besuchen. Vielleicht könnte mich das wieder aufheitern. Es ist eine Ewigkeit her, daß ich zum letzten Mal im Busch war.«
    Tyndall sah sie forschend an, doch Olivia ergriff schnell das Wort: »Das ist eine gute Idee, Maya, die Regenzeit ist fast zu Ende. Die Wetterlage ist ruhig, eine Seereise würde dir sicher guttun.«
    »Wir könnten doch eigentlich alle fahren«, meinte Tyndall. Fast hätte er hinzugesetzt, er habe das Gefühl, die Gelegenheit dazu käme vielleicht nicht so schnell wieder, ließ diese Bemerkung dann aber lieber bleiben.
    Es wurde eine richtige Familienexpedition. Olivia, Maya, Tyndall und Ahmed lachten viel und tauschten Erinnerungen aus, als sie bei Sonnenschein auf der ruhigen See nach Süden segelten. In Mayas Wangen kehrte wieder etwas Farbe zurück, und Olivia genoß es, wieder einmal auf einem Schiff zu sein. Tyndall erklärte, sie alle sähen noch genauso jung aus wie damals, als sie zum ersten Mal nach Cossack segelten, und wenn Olivia ihn so ansah, wie ihm der Wind durch die Haare fuhr und er mit geradem Rücken und festen Beinen an Deck stand, und wenn sie beobachtete, mit welcher Umsicht seine langen braunen Finger das Ruder führten, dann mußte sie ihm recht geben. Und wenn Tyndall seine geliebte Olivia ansah, entdeckte er an ihr immer noch jenes trotzige Kinn, die strahlenden Augen und die weichen Rundungen ihres Körpers, die er so liebte, ihre inzwischen graumelierten Haare fielen ihr in einem dicken, lockeren Zopf auf den Rücken. Olivia bewegte sich auf dem Schiff etwas vorsichtiger als früher, aber auch sie besaß immer noch eine straffe Haltung von ungebrochener Grazie.
    »Was seid ihr doch für ein prächtiges Paar«, sagte Maya.
    »Da stimme ich dir zu«, erwiderte Tyndall. »Der einzige alte Knacker in der Mannschaft ist Ahmed da drüben.«
    Ahmed, der nun leicht gebückt ging und ein ganz verschrumpeltes Gesicht hatte, in dem die schwarzen Augen aber immer noch fröhlich blitzten, zog den Mund zu einem zahnlückigen, nikotinfleckigen Grinsen auseinander und winkte mit seiner Zigarette. »Da haben Sie recht, Tuan. Ahmed ist jetzt alter Knacker.« Doch seine sicheren Bewegungen auf dem Schiff und sein flinkes Hantieren in der kleinen Kombüse straften Tyndalls Neckereien Lügen.
    Sie gingen vor Anker, und wie erwartet hatten sich zu ihrer Begrüßung bereits etliche Mitglieder des schwarzen Stamms eingefunden. Sie waren nun nicht mehr so zahlreich und zogen weniger herum wie in alten Tagen, manche hatten sich in der Küstenmission angesiedelt. Daher wurde die Ankunft des Schoners voller Aufregung begrüßt, sie bedeutete eine willkommene Abwechslung und ein erfreuliches Wiedersehen.
    Alle redeten durcheinander, während am Strand die Begrüßungen ausgetauscht wurden. Dann gingen sie auf dem ausgetretenen Pfad über die Dünen zum Lager.
    Olivia verstummte und nahm das allgemeine Geplauder nur noch als

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