Tränen des Mondes
Toleranz zur Kenntnis. Er gestattete regelmäßige Einkaufsgänge in die Stadt und versicherte ihnen, man würde so gut wie möglich für sie sorgen, bis sie in die Internierungslager verlegt würden.
Als die Logger zurückkehrten, wurden einige Gruppen von Männern aus dem Gefängnis beurlaubt, um die Schiffe auf den Strand zu ziehen und für die Regenzeit vertäuen zu helfen.
Ahmed schüttelte bestürzt den Kopf, als er mit Tyndall auf dem kleinen Steg bei den Muschelschuppen saß. »Tuan, ich glaube, Broome geht schlafen, bis Krieg vorbei.«
Zu den Kriegssorgen kam für Tyndall und Olivia noch die Sorge um Maya, die an einer Grippe erkrankt war. Olivia pflegte sie, der Arzt machte täglich einen Hausbesuch. Tyndall saß neben ihrem Bett; Mayas Atemschwierigkeiten, ihr hartnäckiger Husten und ihr offensichtliches Unbehagen machten ihm sehr zu schaffen.
»Gibt es nicht noch etwas, was man für sie tun könnte?« fragte er Dr. Haynes.
»Sie spricht nicht gut auf die Medikamente an. Ich glaube, wir sollten sie für einige Untersuchungen ins Krankenhaus bringen«, schlug der Arzt vor.
Maya lag im Krankenhausbett und starrte hinaus auf das üppige grüne Laub. Sie hatte das Gefühl, ein großer Felsbrocken würde ihr die Brust zerquetschen, jedes Atemholen schmerzte, und ihre Kräfte schienen jeden Moment weiter zu schwinden. Dr. Haynes kam herein, und sie wandte ihr Gesicht zur Tür. Ein Blick in sein Gesicht genügte – sie schloß kurz die Augen und wußte, daß es um sie nicht schlimmer hätte stehen können. Als sie die Augen wieder öffnete, lächelte ihm Maya tröstlich zu. »Kopf hoch, Dr. Haynes.«
»Ich sollte Sie aufmuntern und nicht umgekehrt.«
»Ich glaube nicht, daß Sie eine gute Nachricht für mich haben.« Das war eine ruhige Feststellung, keine Frage.
»Nein, Maya. Wir haben die Ergebnisse der Röntgenaufnahme von Ihrer Lunge. Sie haben Tuberkulose.« Er nahm ihre Hand und fuhr fort. »Das heißt: sorgfältige Pflege, gutes Essen und viel Ruhe.«
»Ich muß nicht weg von hier?«
»Nicht im Moment. Die Grippe verursacht zusätzliche Komplikationen. Wir müssen einfach einen Tag nach dem anderen abwarten. Am besten bleiben Sie hier.«
Für Tyndall und Olivia war die Nachricht niederschmetternd. »Wäre ein Sanatorium nicht besser für sie? Obwohl ich es nicht ertragen könnte, wenn sie weit weg von uns wäre«, sagte Tyndall.
»Sie ist viel zu krank, John.«
Sie verbrachten jede verfügbare Minute an ihrem Bett, doch trotz der Pflege schien Maya vor ihren Augen dahinzuschwinden, Tag für Tag. Schließlich flüsterte sie, sie wolle nach Hause gebracht werden.
In ihrem eigenen Zimmer schien Maya viel glücklicher, doch mit ihrer Gesundheit ging es weiter bergab. Olivia schlug vor, Georgie ein Telegramm zu schicken.
Eines Abends setzte sich Olivia zu Maya, die in ihrem Abendessen nur herumgestochert hatte, ins Zimmer. Maya schlug die Augen auf und sah Olivia mit einer Stickerei beschäftigt neben ihrem Bett sitzen. »Olivia …?«
Olivia legte die Nadel aus der Hand. »Ja, Kleines?«
Maya hob ihre dünnen Arme und zog sich die Kette mit dem Muschelanhänger über den Kopf. Die Anstrengung ermüdete sie, Olivia beugte sich über sie und strich ihr über die Wange. »Was ist denn, Maya, Liebes?«
Maya redete leise, aber entschlossen. »Ich möchte, daß du das nimmst. Paß gut darauf auf. Gib es an Georgie weiter.« Maya drückte ihr den Anhänger mit der Kette in die Hand.
»Paß gut darauf auf, Olivia«, wiederholte Maya.
Olivia wollte protestieren und Maya drängen, den Anhänger doch zu behalten, aber ihr wurde klar, daß Maya diese Geste viel bedeutete. »Ich werde den Anhänger an meiner Perlenkette befestigen.« Sie strich behutsam über die Muschel mit dem eingeritzten Muster. »›Tränen des Mondes‹ hat Minnie die Perlen genannt … klingt traurig, aber sehr schön.«
Maya lächelte leise. »Ich denke immer, es sind Freudentränen. Perlen sind so schön und etwas ganz Besonderes. Für unser Volk haben sie eine große Symbolkraft …« Die Stimme versagte ihr, und sie schloß die Augen.
Später zeigte Olivia den Anhänger ihrem Mann. »Sie möchte, daß ich ihn an Georgie weitergebe …«
»Das scheint ja eine sehr endgültige Geste. Hat Georgie sich gemeldet?« fragte Tyndall.
»Nein. Anscheinend ist sie umgezogen, ohne eine Adresse zu hinterlassen.«
Bald bekam Maya auch noch eine Lungenentzündung. Tyndall saß neben ihr, hielt ihre zarte kleine
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