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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Hintergrundgeräusch wahr. Sie fühlte sich wieder in die Zeit zurückversetzt, als sie verängstigt, erschöpft und schwanger zum ersten Mal hier gelandet war. Dieser Ort mit seinen Bewohnern hätte damals genausogut ein fremder Planet sein können. Jetzt kannte sie fast jeden der Aborigines, und die Frauen erzählten sich immer noch die Geschichte von ihrer Ankunft und der Geburt des kleinen James. Diese Ereignisse waren in ihre Erzähltradition eingegangen. Was hätte ihr nicht alles zustoßen können, wenn sich diese Menschen nicht so freundlich um sie gekümmert hätten? Das verdankte sie Tyndall. Später hatte sie herausgefunden, daß diese Leute mit Minnie und Niah verwandt waren. Inzwischen besaß sie ein tieferes Verständnis für solche verschlungenen Verwandtschaftsbeziehungen. Maya hatte ihre Identität verloren und sie hier wieder entdeckt. Olivia hatte geholfen, Maya zur Welt zu bringen, und immer schon eine große Nähe zu ihr gespürt, als sie noch gar nicht wußte, daß sie die Mutter ihrer Enkelin werden würde. Kurz flog sie ein Gefühl des Bedauerns an, weil Hamish im Krieg hatte sterben müssen und seine Tochter Georgie nichts von diesen besonderen Menschen wissen wollte, doch Olivia schob diese Gefühle von sich und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder den Gesprächen ringsum.
     
    Als sie später am Lagerfeuer saßen und das Fladenbrot und den Sirup herumreichten, blickte Tyndall zu Olivia hinüber. Liebe und Stolz überfluteten ihn, als er sah, wie ungezwungen sie mit diesen Leuten umging, mit denen sie eine aufrichtige Zuneigung verband. Sie war so entspannt und anmutig, als säße sie beim Gespräch in einem vornehmen Salon. Wie wunderbar war es doch gewesen, diese letzten vierzehn Jahre mit ihr zu teilen. Leise lächelnd erinnerte er sich an den Moment, als er sie zum ersten Mal sah: allein, aber herausfordernd einen Revolver schwenkend, so stark und doch so verletzlich. Was für eine unglaubliche Reise ihr Lebensweg gewesen war! Trotz aller Tragödien gab es weder in ihrem Gesicht noch in ihrem Herzen eine Spur von Bitterkeit oder Härte. Er hatte sie vom ersten Augenblick an geliebt, die Stärke seiner Gefühle hatte nie nachgelassen. Niah war ein besonderes, kurzes Licht in seinem Leben gewesen, das, wenn er ehrlich war, den für Olivia reservierten Platz einmal ausgefüllt hatte. Er hoffte inständig, daß er Olivia in diesen vierzehn Jahren genauso glücklich gemacht hatte wie sie ihn.
    Als ob sie seine Gedanken spürte, blickte sie zu ihm herüber, und sie tauschten ein liebevolles Lächeln aus.
    Ahmed fing den kurzen Blick zwischen ihnen auf, und ihm wurde warm ums Herz. Tyndall war seine Familie, und er hatte stumm mit angesehen, wie traurig Tyndall und Olivia ihren Weg entlangstolperten, als sie noch getrennt waren. Er hatte gewußt, daß die Kraft, die sie zueinander hinzog, so stark war wie die Kraft, mit der der Mond die Gezeiten lenkte, und hatte gebetet, daß das Schicksal sie zusammenführen würde.
    Auch Maya spürte bewegt die Gefühle der Liebe und Freundschaft, die sie alle verbanden. Wie sehr wünschte sie sich, Georgiana wäre hier, um dieses Erlebnis mit ihnen zu teilen. Doch Maya hatte inzwischen akzeptiert, daß ihre Tochter nicht zu ihnen gehörte, daß sie sich für einen anderen Lebensweg entschieden hatte – ihr Unabhängigkeitssinn würde dafür sorgen, daß sie nicht unterging und alles erreichte, was sie sich vornahm. Maya empfand im Kreis ihrer Sippe einen tiefen inneren Frieden, um so mehr, als sie dies alles gemeinsam mit Olivia und Tyndall erlebte. Sie war sich ihrer Identität nun sicher und der Zusammenhänge bewußt, in denen sie aufgehoben war. Auch wenn sie sich nicht mehr an alles erinnerte, hatten sich die Jahre der Kindheit in ihre Seele eingeprägt und stärkten ihr spirituelles Zugehörigkeitsgefühl. Die Weisheit, die diese Frauen an sie weitergaben, so wie sie sie über Generationen untereinander weitergegeben hatten, verlieh Maya Kraft und Zuversicht.
    An diesem Abend versammelten sich wieder alle rund um das große Feuer, aßen, sangen und erzählten Geschichten. Es war ein kostbarer Augenblick, der in der Erinnerung aller weiterleuchten würde wie ein Juwel.
     
    Die Selbstzufriedenheit, die während der ersten Kriegszeiten in Australien geherrscht hatte, wurde durch die Bombardierung von Pearl Harbour erschüttert. Die Druckwellen breiteten sich bis zu den Ufern der Stadt aus, die in der nordwestlichsten Ecke von Australiens Küsten in der

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