Tränen des Mondes
Nahkampftechnik und so weiter. Obwohl sie das besser beherrschen als wir selbst. Im Grunde sollen wir die Stämme vor allem über die Lage informieren, damit die Japaner, falls sie wirklich an Land kommen, aufgespürt und angegriffen werden können.«
»Und sind die Aborigines dazu bereit?«
»Die Leute von der Blue Mud Bay ganz oben in Arnhem-Land machen schon mit. Die hohen Tiere vom Militär sind jedenfalls der Meinung, daß wir an der Nordwestküste auch so etwas aufziehen sollten.« Tyndall ließ sich in die Kissen fallen und verschränkte die Arme unter dem Kopf. »Die kennen den Busch in- und auswendig, verstehen, mit Speeren umzugehen, können in der Nacht wie ein Schatten aus dem Nichts auftauchen, ohne das leiseste Geräusch. Mit den richtigen Waffen werden wir eins a Soldaten aus ihnen machen.«
Olivia hatte das erstickende Gefühl, die Wände würden gleich über ihr zusammenstürzen. Warum ließen sich Männer vom Krieg so begeistern? Hatten sie aus dem letzten tödlichen Fiasko nichts gelernt?
Sie drehte sich auf die Seite, und Tyndall, der ihre Trauer spürte, nahm sie in die Arme. »Mach dir keine Sorgen, wahrscheinlich wird gar nichts passieren. Wir müssen nur vorbereitet sein, weiter nichts.«
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Fünfundzwanzigstes Kapitel
T yndall und Olivia standen in dem schmalen Korridor vor ihren jeweiligen Büros. »Zwei kleine Räume in der Stadt und ein paar windschiefe Schuppen unten im Ufercamp, mehr ist uns von der
Star of the Sea
nicht geblieben. Dafür, daß es seinerzeit ein blühendes Unternehmen war, haben wir nicht mehr viel vorzuweisen, was?« bemerkte Tyndall. Der Anflug von Bitterkeit in seiner Stimme war unüberhörbar.
»John, wir haben sehr viel vorzuweisen, und das weißt du auch. Denk an unsere Freunde, an die Abenteuer, an das Geld, das wir verdient – und verloren haben. Gib's zu, du hättest es nicht anders machen wollen.«
»Einige Dinge würde ich schon anders machen«, widersprach er traurig und nahm Olivias Hand.
»Wir können die Uhr nicht zurückdrehen, Liebling.« Olivia quetschte sich neben ihn, als sie das enge Treppenhaus hinuntergingen. »Vielleicht wäre es Zeit, daß wir all dem hier den Rücken kehren. In mein Haus nach Perth ziehen.«
»Ich bin kein Gärtner«, blaffte er nur.
»Schön, aber du könntest planen, was du nach dem Krieg unternehmen willst. Das Zuchtperlenprojekt wieder ankurbeln.« Sie traten auf die Straße hinaus, wo Ahmed auf sie wartete. Die drei schauten zum Fenster hoch, wo sie das Schild mit der Aufschrift
STAR OF THE SEA PEARL COMPANY
nur noch mühsam entziffern konnten, so ausgeblichen war es.
»Am liebsten würde ich den ganzen Schrott hier anzünden«, sagte Tyndall.
»Keine Logger, nur noch der Schoner, keine Arbeit, kein Glück. Was wir machen jetzt, Tuan?«
»Gehen wir nach Hause und halten ein Totenmahl für die
Star of the Sea
«, sagte Olivia. »Mollies Enkelin kann ein herrliches Curry kochen. Mabel und Toby laden wir auch noch ein.«
Ahmed freute sich über die Idee, auch Tyndall sah etwas besänftigt aus.
Sie fuhren zum Haus der Mettas, und als sie bei der Veranda ankamen, eilte Mabel auch schon heraus. Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Ach, ihr Lieben, ist es nicht furchtbar? Was wird noch aus uns allen werden …«
»Mabel, was ist denn passiert?«
Sie tupfte sich das Gesicht mit einem Zipfel ihres Saris ab. »Habt ihr es noch gar nicht gehört, es kam im Radio … Darwin … ist bombardiert worden!«
»Mein Gott! Wie schlimm?« stieß Olivia hervor.
Tyndall erstarrte. »Olivia, lassen wir das Essen. Ich sehe lieber nach, was sich da zusammenbraut. Wir könnten die nächsten sein.«
»Broome zu weit für Flugzeuge von Japaner, Tuan«, sagte Ahmed, sah aber dennoch beunruhigt aus.
»Komm doch rein, Olivia. John, Toby ist schon im Conti.«
Ahmed trottete neben Tyndall durch den Garten, Tyndall rief den Frauen über die Schulter zu: »Ich gehe erst zum Amtssitz, dann ins Conti.«
Später, als sie alle in der Logger-Bar zusammenhockten, wo die Gespräche wie ein Bienenschwarm durcheinandersummten, unterrichtete Tyndall seinen Freund Toby von den neuesten Plänen der Regierung. »Die weißen Familien hier sollen evakuiert werden. Die Perlenunternehmer müssen zusammenlegen und ihre malaiischen und asiatischen Seeleute auszahlen. Die Aborigines, die in der Stadt leben, gehen zusammen mit den Schwestern des Johanneskonvents in die Missionsstation nach Beagle Bay.«
»Was wird aus Ahmed?«
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