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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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das Krachen der Wellen. Ihr wurde bang, als die Nacht hereinbrach und sie immer noch auf See waren. Aber irgendwann kam Tyndalls ersehnter Ruf: »Land ahoi!«
    Die Insel lag wie ein schemenhaftes Gebilde hinter den Wellenbergen, doch die Einfahrt zu der schützenden Lagune war in der weißen Gischt der Brandung deutlich zwischen den Felsen auszumachen. Mit Wind von achtern schossen sie hinein und fanden sich alsbald inmitten einer ganzen Flotte von Loggern, die in der Bucht ankerten.
    Sie gingen in sicherer Entfernung von den anderen Schiffen vor Anker, der Ankerkette ließen sie zur Sicherheit genug Spiel. Die Kupanger und Ahmed verkrochen sich im Vorderdeck, Tyndall kletterte in die Kabine und sicherte die Einstiegsluke.
    In der stickig heißen Kabine brach Olivia bald der Schweiß aus. »Wenn man das Sturmgeheul hört, sollte man meinen, es müßte kalt sein, nicht heiß«, murmelte sie.
    »Es wird noch schlimmer kommen. Ich fürchte, wir werden einige Zeit hier drin verbringen müssen«, sagte Tyndall. »Trinken Sie ein bißchen Wasser. Im Auge des Zyklons wird es eine Weile ruhiger werden, bis die zweite Hälfte des Sturms hereinbricht. Aber zumindest wissen wir dann, daß die erste Hälfte überstanden ist«, schloß er mit einem Grinsen.
    Während sie, wie es schien, endlose Zeit dasaßen und warteten, versuchte Olivia Tyndall über seine früheren Jahre in Irland auszufragen. Er wich ihr jedoch aus und erzählte statt dessen haarsträubende Geschichten von seinen Abenteuern als Walfänger.
    Olivia hing wie gebannt an seinen Lippen und schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf. »Das alles klingt wie aus einem Abenteuerroman. Was Sie alles schon erlebt haben, Kapitän Tyndall. Werden Sie denn je ein normales Leben führen?«
    »Was ist schon normal?« kam seine Gegenfrage, und Olivia wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als der Sturm plötzlich aufhörte.
    Die Ruhe und Stille im Auge des Zyklons war eigentümlich beklemmend, und sie verharrten beide in bangem Schweigen. Und dann, als ob jemand eine Tür aufgerissen hätte, kehrte der Sturm zurück.
    Von der stickigen Luft und dem Schlingern des Schiffs wurde Olivia allmählich übel, und sie begann, ihren Entschluß zu dieser Reise zu bereuen. Sie streckte sich auf der Koje aus und versuchte, an alles mögliche zu denken, nur nicht an ihre mißliche Lage.
    Als sie schon glaubte, es keine Sekunde länger in der Kabine auszuhalten, war der Sturm vorbei. Alle stürzten an Deck, atmeten dankbar die frische Luft und überprüften, ob das Schiff irgendwelche Schäden davongetragen hatte. Ahmed und Tyndall wechselten einen zufriedenen Blick, beide waren froh, daß die
Bulan
diesen Härtetest unbeschadet überstanden hatte.
    Sie verbrachten alle eine unruhige Nacht, weil die Insekten und Stechmücken aus den nahen Mangrovenhainen über sie herfielen.
    Am Morgen bereitete Ahmed ihnen ein Frühstück aus süßem Reis mit Dörrobst, das sie an Deck zu sich nahmen.
    »Auf den anderen Schiffen scheint alles so ruhig«, bemerkte Olivia. »Offenbar sind die Leute an Land geblieben.«
    »Wir werden nachher mal nachsehen, wenn wir untersucht haben, ob an der
Bulan
alles in Ordnung ist«, meinte Tyndall.
    Während die Männer an Deck beschäftigt waren, räumte Olivia die kleine Kombüse auf und fragte sich, wie Ahmed es fertigbrachte, auf so beengtem Raum mit nur einem Spirituskocher ganze Mahlzeiten zu zaubern. Sie wusch sich in einem Wassereimer, zog sich frische Sachen an und band sich wegen der Hitze das Haar hoch. Dann holte sie einen kleinen Tiegel mit nach Rosenblüten duftender Gesichtscreme hervor und cremte sich damit ein. Ihre Haut tönte sich von Tag zu Tag dunkler.
    Am späten Vormittag ließen Tyndall und Ahmed das Dinghi zu Wasser und ruderten mit Olivia ans Ufer. Dort folgten sie einem sandigen Pfad durch den Busch, bis sie plötzlich Stimmen, Rufe und Gelächter hörten. Tyndall und Ahmed, die vorangingen, blieben erschrocken vor einer kleiner Lichtung stehen.
    Ehe Olivia etwas erkennen konnte, reichte Tyndall ihr seine verknautschte Mütze. »Setzen Sie die auf und ziehen Sie sie tief in die Stirn. Sagen Sie kein Wort und bleiben Sie in Deckung«, befahl er.
    Aufgrund seines barschen Tons wagte sie keine Widerrede, versuchte aber, an den Männern vorbeizuspähen, die sich im Schutz der Bäume hielten.
    Als sie sah, was sich da vor ihnen abspielte, fuhr Olivia sich entsetzt mit der Hand an den Mund.
    Mitten auf der Lichtung war eine hölzerne Plattform

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