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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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reicht er manchmal nicht bis in diese Breiten. Zumindest haben sie die Versteigerungen für Aborigines und Insulaner verboten. Es gab hier richtige Sklavenmärkte.«
    »Benutzen die Eingeborenen die modernen Taucheranzüge auf den Loggern?«
    »Manche von ihnen ja, aber andere können besser damit umgehen, besonders die Japaner und die Malaien. Die Aborigines lassen doch bei der ersten Gelegenheit alles stehen und liegen und hauen ab. Geld ist für sie nicht so wichtig. Wie die Zeit«, fügte er mit einem Schmunzeln hinzu.
    »Und die Malaien?« wollte Olivia wissen.
    »Sind wie alle Menschen Ostindiens, keine schlechten Arbeiter, aber ein wenig träge. Nur ab und zu werden sie gefährlich mit ihren gemeinen Dolchen. Haben im Lauf der Jahre ein paar Kapitäne aufgeschlitzt. Und mußten dafür hängen.«
    »Ahmed scheint sehr an seinem Dolch … äh,
kris
zu hängen.«
    »Machen Sie sich um den keine Sorgen«, beschwichtigte Tyndall sie. »Ahmed ist anders.«
    Der Wind wehte nun aus einer anderen Richtung, und Olivia zuckte förmlich zusammen, als ein widerlicher, beißender Gestank auf sie einwehte. Ahmed und Tyndall bogen sich vor Lachen, weil sie das Gesicht verzog.
    »Der Stinktopf«, erläuterte Tyndall. »Kommen Sie, das müssen Sie sehen.«
    Er reichte ihr ein sauberes Taschentuch, das sie sich vor die Nase hielt, während sie den Männern folgte.
    In der heißen Sonne standen zwei Holzbottiche, und als einer der Männer mit einem langen Stock darin herumrührte, stieg ein ekelhafter Faulgestank auf. Jeder Bottich war mit Salzwasser und kleinen Perlmuscheln gefüllt, die in der Hitze anfingen zu gären und sich zu zersetzen. Während das Muschelfleisch verrottete, fielen die Perlen auf den Grund des Bottichs und konnten später herausgeholt werden.
    »Ziemlich stinkig, aber effektiv«, meinte Tyndall lakonisch. »Die großen Muscheln werden an Bord oder an Land geöffnet.«
    Am späten Nachmittag half Olivia, die mit Muschelschalen randvoll gefüllten Körbe zum Dinghi zu schleppen, mit dem die Kupanger zum Logger ruderten. Sie war barfuß, hatte sich ihre Hosen bis zum Knie aufgekrempelt und schien die körperliche Arbeit zu genießen. Obwohl sie ihren Strohhut trug, war ihr Gesicht von Sonne und Wind gerötet.
    Am Abend saßen sie alle rund um das Lagerfeuer, die Aborigines sangen und summten ihre traditionellen Lieder, begleitet vom rhythmischen Klappern und Klopfen der geschnitzten Klangstöcke und Bumerangs. Es ging eine hypnotische Wirkung von dieser Musik aus, und Olivia merkte, wie ihre Lider schwer wurden. Tyndall gab Ahmed flüsternd ein paar Anweisungen, und dieser stand leise auf und führte Olivia zu einem der Dinghis. Während sie zum Logger hinausruderten, lauschte Olivia schläfrig dem rhythmischen Ruderschlag, und als die Umrisse der
Bulan
im fahlen Mondlicht auftauchten, kam sie ihr vor wie ein Geisterschiff. Am Strand flackerte das Licht des Lagerfeuers über schattenhafte Gestalten, und die wehmütige Musik klang über das Wasser zu ihr herüber.
    »Was singen sie da, Ahmed?«
    »Sie singen das Lied ihres Volkes. Sie singen immer von ihrem Volk und von ihrem Land. Sind schon sehr lange hier, Mem.«
    Olivia schlüpfte in ihre Koje und schlief mit einem seligen Gefühl der Geborgenheit ein.
     
    Am Morgen verriet die Betriebsamkeit an Bord, daß man sich auf der
Bulan
bereitmachte, in See zu stechen. Olivia bemerkte enttäuscht, daß sie keine Gelegenheit mehr haben würde, sich von ihren Eingeborenenfreunden zu verabschieden. Sie wollten gerade den Anker lichten, da sah sie von der Reling aus zwei Einbäume näherpaddeln. Ahmed und Tyndall gingen nach Steuerbord und winkten den beiden Kanus zu.
    »Was wollen sie?« fragte Olivia, die sich zu ihnen gesellt hatte.
    »Sie wollen sich nur verabschieden, wir werden sie eine ganze Zeitlang nicht wiedersehen«, meinte Tyndall und hob die Mütze zum Gruß.
    Die Männer im ersten Kanu riefen etwas und winkten. Im zweiten Kanu saßen ein älterer Mann und die zwei Frauen, die Olivia als ihre Wohltäterinnen erkannte. Sie machten Zeichen, daß sie näher herankommen wollten, und während sie mit ihren Kanus sanft an den Bug der
Bulan
stießen, warfen sie ein kleines Bündel an Deck und riefen einen Gruß hinterher.
    Tyndall nahm das in Schilf gewickelte Bündel auf. »Sie sagen, es ist ein Geschenk für Sie. Ein Glücksbringer.«
    »Oh, ich würde ihnen so gerne auch was schenken. Sagen Sie ihnen das und meinen herzlichen Dank.« Olivia war zutiefst

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