Tränen des Mondes
sogar Gunther aufhorchen ließ.
»Er wird dieses Mädchen nicht kaufen!« Olivia war außer sich.
Ahmed legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Ich habe ihn gebeten, sie zu retten. Sie ist aus Makassar. Von meinem Volk.«
Einer der Männer machte ein halbherziges Gegengebot, wohl wissend, daß es sinnlos war. Tyndall würde sich nicht überbieten lassen. Gunther wartete ab, ob sich der Preis noch einmal verdoppelte, aber die Männer schüttelten den Kopf.
»Gut, sie gehört Ihnen, Kapitän Tyndall«, knurrte er ungehalten. »Viel Spaß mit ihr.«
Nachdem Tyndall den Preis entrichtet hatte, führte er das Mädchen auf die Seite und löste ihm die Handfesseln. Dann zog er sein Hemd aus und legte es dem Mädchen um die Schultern. Sie raffte das Hemd vor ihrer Brust zusammen und folgte ihm, ohne den Blick vom Boden zu heben. Gunther sah ihnen mit finsterem Gesichtsausdruck nach. Er traute Tyndall nicht über den Weg, womöglich würde der ihn noch auffliegen lassen, auch wenn er selbst an dem illegalen Handel teilgenommen hatte. Er würde dem zuvorkommen und sich für eine Weile in dieser Gegend nicht mehr blicken lassen.
Tyndall schickte Ahmed mit den beiden Frauen im Dinghi voraus. Olivia kletterte zuerst an Bord, gefolgt von dem Mädchen, das unsicher stehenblieb, als Olivia Tyndalls Mütze vom Kopf nahm. Schließlich überwog seine Neugier an der weißen Frau. Es musterte Olivia eingehend und wagte dann ein scheues Lächeln.
Ahmed hatte bereits wieder mit dem Dinghi abgelegt, um Tyndall zu holen. Olivia nahm das Mädchen an der Hand und wollte es unter Deck bringen, doch beim Anblick der offenen Luke, die offenbar in ein dunkles Loch führte, riß sich das Mädchen los und sprang über Bord.
Mit einem Schrei stürzte Olivia an die Reling. Über die Bordwand gebeugt, sah sie den Kopf des Mädchens in den Wellen auftauchen. Tyndall war bereits ins Wasser gesprungen und kraulte auf das Mädchen zu, das versuchte, zur anderen Seite zu entkommen. Als er nach ihr greifen wollte, schlug sie mit den Fäusten auf ihn ein und trat nach ihm. Schließlich gelang es ihm, sie unter Wasser zu packen. Er hielt sie unter den Achseln umklammert und schwamm mit kräftigen Rückenstößen zum Dinghi zurück. Ahmed half ihm, das strampelnde Mädchen ins Boot zu hieven. Er versuchte, es zu beruhigen und rief auf malaiisch: »Wir wollen dir helfen! Wir sind Freunde.«
»Kawan?«
wiederholte das Mädchen zaghaft.
Olivia betrachtete die tropfnasse Gestalt. »Ahmed, frag sie, wie sie heißt.«
»Ihr Name ist Niah«, erklärte er nach ein paar hastig gewechselten Worten.
»Niah«, wiederholte Tyndall nachdenklich. »Na gut, Niah. Jetzt wissen wir wenigstens, daß du schwimmen kannst. Könntest eine gute Taucherin abgeben.«
»Was?« explodierte Olivia. »Ich dachte, Sie wollen sie gehen lassen!«
»Na, hier auf keinen Fall. Gunther würde sie sofort wieder einfangen. Außerdem habe ich einen stolzen Preis für sie bezahlt.« Er lachte der wütenden Olivia ins Gesicht. Dann wandte er sich dem Mädchen zu. »Also, Niah, was sollen wir mit dir machen?«
Er sprach malaiisch, und das Mädchen erwiderte etwas mit einem Lächeln, das Olivia nicht zu deuten wußte. »Was hat sie gesagt, Ahmed?«
Der drehte sich grinsend weg. »Nichts, Mem.«
Tyndall zog die Augenbrauen hoch und übersetzte. »Sie hat mir ein Angebot gemacht, das ein Mann nicht so leicht ablehnen kann. Wären Sie wohl so freundlich und gäben ihr was zum Anziehen?«
Mit einem vernichtenden Blick stampfte Olivia an den dreien vorbei in ihre Kabine, um dem Mädchen etwas zum Anziehen zu holen.
Die Insel lag nun hinter ihnen. Olivia saß an Deck, sie hatte die Arme um die Knie geschlungen und beobachtete Niah, die sich gelassen im Schneidersitz das lange Haar flocht. Da bemerkte Olivia den verzierten Perlmuttanhänger an ihrem Hals. Sie sah genauer hin und entdeckte zu ihrer Verblüffung dasselbe Muster wie auf dem Armband, das ihr die Frauen geschenkt hatten. Ahmed und die Kupanger waren mit dem Aufbrechen der Perlmuscheln beschäftigt, und Tyndall stand fröhlich pfeifend am Ruder, während die
Bulan
Kurs auf Broome nahm.
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Neuntes Kapitel
K apitän Tyndalls Rückkehr nach Broome mit einer wunderschönen jungen Schwarzen blieb in der Stadt nicht unbemerkt. Ebensowenig die Tatsache, daß Mrs. Hennessy ihn auf der Reise begleitet hatte.
Gefolgt von Ahmed mit dem Gepäck, gingen die beiden Frauen gemessenen Schrittes den Landesteg entlang,
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