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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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nachdem die
Bulan
festgemacht hatte. Niah hielt sich dicht hinter Olivia, die nun wieder ihre schlichte Tageskleidung trug. Scharfe Augen aber, die die kleine Prozession beobachteten, erkannten in Niahs weißem ›Kleid‹ einen Unterrock, der wohl von Olivia stammen mußte.
    Tyndall bildete die Nachhut. Er pfiff fröhlich und trug seine abgeschabte Ledertasche mit Dokumenten, Geld, Perlen und der unvermeidlichen Flasche Whisky.
    Als sie das Ende des Stegs erreichten, kam Conrad zu ihrer Begrüßung auf sie zugeeilt. Er umarmte Olivia, warf über ihre Schulter einen Blick auf Niah und sah Tyndall mit hochgezogenen Brauen an. Tyndall antwortete mit einem Augenzwinkern.
    »Meine Liebe! Ich habe euch ankommen sehen. Was für eine Erleichterung, daß du wohlbehalten heimgekehrt bist. Ich habe gehört, daß unten an der Küste ein schwerer Sturm ausgebrochen ist.« Conrad ließ Olivia los und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Hat es dir gefallen?« Ihre funkelnden Augen, ihre geröteten Wangen und ihr entspanntes Lächeln beantworteten seine Frage.
    »Oh, sie hat Ihnen jede Menge zu berichten«, bemerkte Tyndall.
    »War das Ganze denn erfolgreich?« fragte Conrad.
    »Aber ja – trotz eines kleinen Verlusts unterwegs, als wir Ballast abwerfen mußten«, antwortete Tyndall. »Ihre Frau war den widrigen Umständen bestens gewachsen. Ich kenne nicht viele Frauen, die sich unter derartigen Verhältnissen so tapfer gehalten hätten.«
    »Und sie wurde nicht seekrank oder stand Ihnen im Weg herum?« neckte Conrad.
    »Nein, Conrad. Einmal habe ich sogar das Ruder übernommen«, erwiderte Olivia beleidigt.
    »Sie werden alles genauestens erfahren, aber schenken Sie sich erst einmal einen Rum ein«, rief Tyndall. »Schön, Sie an Bord gehabt zu haben, Mrs. Hennessy, durch Sie ist die Fahrt zu einem unvergeßlichen Erlebnis geworden.« Wieder pfeifend schlenderte er davon, erleichtert über den glücklichen Ausgang der Reise, die in Wirklichkeit alles andere als problemlos gewesen war. Nachdem Olivia nunmehr ihren Willen durchgesetzt hatte, bezweifelte Tyndall, daß sie noch einmal mit auf See gehen würde.
    Niah hatte die ganze Zeit ruhig daneben gestanden. Conrad bedachte sie mit einem neugierigen Blick.
    Olivia winkte dem Mädchen näherzutreten. »Conrad, das ist Niah. Sie kommt mit uns nach Hause.« Als sie seine Verblüffung sah, nahm sie seinen Arm. »Ich erkläre dir alles später.«
    »Ich hole Sulky, Mem.« Ahmed reichte Conrad ihre Tasche und eilte davon.
    Conrad senkte die Stimme. »Olivia, was geht hier vor? Ich finde das alles sehr merkwürdig. Im Klub mußte ich mir so einiges einfallen lassen, um zu erklären, warum du die Fahrt mitgemacht hast. Man hatte ja Verständnis dafür, daß du James' Grab besuchen wolltest, aber ein paar Rechthaber meinten, es sei ›ein bißchen komisch‹. Wie soll ich eine Erklärung für dieses Mädchen finden?«
    »Du brauchst nicht zu flüstern, Conrad. Sie versteht kein Englisch. Wir werden uns ein wenig um sie kümmern und einfach sagen, sie wäre mein Dienstmädchen und würde im Haus helfen.«
    »Wohl etwas schwierig, wenn sie kein Englisch spricht und du nicht Malaiisch«, bemerkte Conrad spitz. Er warf ihre Tasche in das Sulky und half ihr beim Einsteigen.
    »Dann werde ich wohl Malaiisch lernen müssen, oder? Ach, Conrad, warte doch erst mal, bis du ihre Geschichte gehört hast.«
     
    Niah wurde in einem separaten Teil des Hauses in einem kleinen Zimmer bei den Dienstbotenräumen untergebracht, sehr zur Bestürzung des chinesischen Kochs. Er ahnte, daß es ihm zufallen würde, das Mädchen, das er als Wilde betrachtete, in die häuslichen Pflichten einzuweihen.
    Olivia unterbrach den malaiischen Boy beim Staubwischen und trug ihm auf, Niah das Haus zu zeigen und sie auf ihr Zimmer zu bringen. Dann folgte sie Conrad auf die Veranda.
    »Nun, Olivia, trink etwas Kühles und erzähl mir alles über dieses … Abenteuer und wie es dazu kommt, daß wir eine neue … äh … Mitbewohnerin haben«, sagte Conrad.
    Olivia ließ sich in den nächsten Sessel fallen und erzählte ihre Geschichte.
    »Ach, Conrad, es war einfach schrecklich … das arme Mädchen!«
    Conrads Empörung über den
barracoon
 – nicht auszudenken, welcher Gefahr Olivia ausgesetzt war – schlug um in Verärgerung über den neuen Zuwachs in ihrem Haushalt. Er sah darin ein weiteres Beispiel für das verwegene Draufgängertum seines schillernden Partners. Es beunruhigte ihn, daß seine Frau in die

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