Tränen des Mondes
gerührt.
Tyndall richtete es aus, und die Frauen riefen etwas zurück, das er Olivia übersetzte. »Die Frauen hätten gerne Ihren Strohhut. Könnten Sie sich davon trennen?«
»Aber gewiß«, strahlte Olivia.
Tyndall nahm ihr den Hut vom Kopf und warf ihn geschickt zu den Frauen hinunter, die sich regelrecht darum balgten. Olivia amüsierte sich köstlich beim Anblick der halbnackten Wilden, als die Siegerin sich triumphierend den Strohhut um ihren buschigen Haarschopf band.
Zufrieden wendeten die Frauen das Kanu und paddelten zurück. Als der Einbaum in weiter Entferung war, lichtete die
Bulan
den Anker und setzte die Segel. Olivia blieb an Deck stehen und schaute zurück, bis die Küste nur noch ein schmaler Streifen am Horizont war.
Dann machte sie sich daran, das kleine Paket auszuwickeln. Verwundert schaute sie auf das mit einem grünbraunen Muster verzierte Armband aus geflochtenem Gras. Sie streifte es über ihr Handgelenk. Es war zu weit.
»Es ist ein Amulett, ein Symbol ihres Familienclans«, erklärte Tyndall. »Es soll Glück bringen.«
»Es ist wunderschön«, murmelte Olivia und schob es über ihren Blusenärmel. »Ich werde es in Ehren halten.«
Sie empfand eine wachsende Zuneigung zu diesen Frauen, weil sie merkte, daß sie ihr wohlgesonnen waren und ihr auf ihre Weise helfen wollten. Dieses Bewußtsein vermittelte ihr ein Gefühl des Wohlbehagens und der Geborgenheit. Ihre Freundschaft war etwas Besonders, und Olivia würde alles daransetzen, die Frauen wiederzusehen.
Eine steife Brise hatte sich erhoben, und der schwerbeladene Logger kämpfte sich mühsam voran. Da das Deck häufig überspült wurde und glatt war, verzog Olivia sich unter Deck in die Kabine. Tyndall musterte die dunkle Wolkenbank am nördlichen Horizont und klopfte gegen das Barometer. »Es fällt«, sagte er leise auf malaiisch. »Das gefällt mir gar nicht. Wenn es noch mehr fällt, müssen wir irgendwo Schutz suchen.«
»Langer Weg bis zu einer Bucht, Tuan.«
»Gib mir die Karte.«
Olivia, die sich auf ihrer Koje ausruhte, schreckte auf, als das Schiff den Kurs änderte und heftig zu schlingern anfing. Sie stolperte die Stufen an Deck hinauf. »Was um alles in der Welt ist los?«
»Wir fahren weiter aufs Meer hinaus.« Tyndall zeigte auf die dunklen Wolken, die sich im Norden zusammenbrauten. »Das gibt ein Unwetter. Ich versuche, eine Insel anzulaufen, die ich kenne. Reine Vorsichtsmaßnahme.« Genau in diesem Moment erfaßte ein gewaltiger Brecher das Schiff und brachte es erneut zum Schlingern.
Olivia schrie auf.
»Aber, aber, nur keine Panik. Wir sinken schon nicht, aber wir werden uns notgedrungen von einem Teil der Ladung trennen müssen.« Er brüllte den Männern etwas zu, worauf diese die Vertäuung durchschnitten und die Muschelsäcke über Bord warfen. »Gut so, jetzt die Segel«, rief er, sobald die Männer fertig waren. »Olivia, an Deck«, kommandierte er. »Ich werde die
Bulan
jetzt in den Wind drehen. Sie nehmen das Ruder und halten sie im Wind, während wir die Segel einholen.«
Sie kletterte aus der Luke und taumelte über das Deck nach achtern zu Tyndall, der die
Bulan
in den Wind wendete, bis die Segel wild flatterten. Mit wachsender Panik übernahm sie das Ruder und wiederholte sich, was Tyndall ihr gezeigt hatte, als sie in der Bucht vor Anker gingen. So hielt sie das Schiff die wenigen Minuten auf Kurs, die die Mannschaft zum Reffen der Segel benötigte.
Mit einem Satz war Tyndall wieder neben ihr, drehte das Ruder und sofort blähten sich die kleineren Segel. Der Logger, der sich nun wesentlich besser steuern ließ, rauschte nach Westen.
Tyndall drehte sich mit zufriedener Miene zu Olivia um. »Danke. Sie sehen bezaubernd aus, wenn Sie naß sind.«
Erst da wurde ihr bewußt, daß ihre Kleider klatschnaß am Körper klebten und ihr Haar völlig zerzaust war. Sie überging seine Bemerkung und fragte nur besorgt: »Wie schlimm ist es?«
»Ich fürchte, das gibt einen Wirbelsturm. Wir kommen in die Monsunzeit, da muß man mit so was rechnen. Entweder der Sturm verzieht sich, oder die Hölle bricht los. Ich will kein Risiko eingehen. Ein paar Stunden entfernt kenne ich eine kleine Insel, da können wir Schutz finden. Sie gehen besser unter Deck.«
Obwohl er sich nichts anmerken ließ, konnte Olivia seine Spannung spüren. Sie vertraute jedoch auf sein seefahrerisches Können und stolperte gehorsam zu ihrer Kabine.
Stundenlang saß sie auf ihrer Koje und hörte auf das Tosen des Sturms und
Weitere Kostenlose Bücher