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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Aboriginegroßmutter kannte. Aufgeregt erwiderte sie die Worte. Ihre Gedanken überstürzten sich, Erinnerungen wurden wach. Die Frauen kamen herbei und umringten sie, fragten nach Tyndall, dessen Schoner sie erkannt hatten. Niah lächelte, zeigte den Pfad hinab und dann mit einem Strahlen auf ihren gewölbten Bauch: »Tyndall Baby.«
    Die Frauen begrüßten die Neuigkeit mit Begeisterung und lautem Gelächter. Sie wollten sich gerade auf die Suche nach Tyndall machen, als die Älteste unter ihnen aufgeregt zu gestikulieren begann und in einen Schwall hastiger Worte ausbrach. Die anderen Frauen drängten sich um sie. Niah konnte ihren Worten nicht folgen, doch dann deutete die alte Frau auf ihren Perlmuttanhänger und fing an, ihr Fragen zu stellen.
    Niah bebte vor Aufregung als ihr langsam zu Bewußtsein kam, daß es eine Verbindung zwischen ihr und diesen Menschen gab. Da sie ihre Sprache nicht verstehen konnte und sie sich auf englisch nicht verständigen konnten, machte sie den Frauen Zeichen, ihr zu Tyndall zu folgen.
    Nach dem Begrüßungsritual erzählte Niah Tyndall aufgeregt, wie sie die Frauen getroffen hatte, daß sie ihrer Sprache ein wenig folgen konnte und welches Interesse die Frauen an ihrem Anhänger hatten. Sie setzten sich alle im Kreis unter die Bäume, und mit Tyndalls Kenntnis der Eingeborenensprache gelang es ihnen, die Geschichte der Frau aufzurollen, die einst auf die andere Seite der Monsunwinde gezogen war. Eine alte Frau nahm einen Stock und begann, Linien in den Sand zu ziehen. Sie zeichnete das Muster auf dem Perlmuttanhänger nach und erklärte dazu, die Striche bedeuteten Reisen über das Meer, der große Kreis stand für den Mond, und die kleinen Kreise bedeuteten … hier fehlte ihr das richtige Wort, bis die Alte mit einem breiten Grinsen auf Tyndalls Perle im Ohr zeigte.
    Die Frauen klatschen vor Freude in die Hände. Dann führten sie Tyndall und Niah über den Pfad zurück zum Strand. Hier zeigten sie Niah die Überreste einer steinernen Feuerstelle, die einst von den Makassaren zum Kochen von Trepang erbaut worden war.
    Niah saß im Sand. Versonnen fuhr sie mit der Hand über die alten Steine und versuchte, sich auszumalen, was sich hier vor Generationen zugetragen hatte. Tyndall beobachtete sie, er wußte, wie bedeutsam das alles für sie war. Ihre kindliche Neugier und Aufgeregtheit war einer neuen und tiefen Erkenntnis gewichen. Sie hatte Zugang zur Geschichte ihrer Vorfahren gefunden.
    »Ich kennen Geschichte von Familie. Jetzt kennen Familie. Ich können Baby erzählen Geschichte.«
    »Das ist unglaublich! Einfach erstaunlich. Aber das Leben ist eben voller Überraschungen«, freute sich Tyndall. Der glückliche und zugleich wehmütige Ausdruck in Niahs Gesicht rührte ihn zutiefst. »Jetzt hast du den Weg in die
Traumzeit
gefunden.«
    Den anderen vom Stamm der Aborigines wurde Bescheid gegeben, und bei Sonnenuntergang hatten sich alle mit Niah und Tyndall am Strand um ein großes Lagerfeuer versammelt. Die Stammesältesten berieten sich ausgiebig, dann kamen sie zu dem Schluß, daß gefeiert werden sollte. Man würde am nächsten Abend ein
corroboree
veranstalten.
    Es sei ein Heimkehr-
corroboree
, erklärten die Frauen Niah und nahmen sie an der Hand. Niah liefen Freudentränen über das Gesicht. Endlich hatte sie einen Teil ihrer Familie wiedergefunden.
     
    Als die Nacht einsetzte, loderten helle Feuer. Diejenigen, die nicht am Tanz teilnahmen, saßen mit Niah und Tyndall in der Runde, lachten, schwatzten und spielten mit den Kindern.
    Unvermittelt traten Männer aus dem Dunkel und begannen, zum dumpfen Schlag der Klangstöcke und rhythmischem Gesang zu tanzen. Ihre Körper waren mit magischen Zeichen bemalt, einige Körper trugen das gleiche Muster wie Niahs Muschelanhänger. Der Tanz stellte dar, wie die Seefahrer aus Makassar in ihren
praus
über das Meer kamen. Einige Männer übernahmen die Rolle der eigenen Vorfahren und hießen die Makassaren willkommen. Dann mimten sie auf grandiose Weise das Perlentauchen und das Kochen von Trepang. Das Rühren in dem großen Topf, dem fauliger Gestank entstieg, erntete beim Publikum großes Gelächter. Dann wurde eine Frau ausgewählt, die zu den fremden Besuchern ins Boot stieg. Lautes Klagen begleitete sie, als sie von der Familie Abschied nahm. Doch dann kam sie mit einem Baby zurück, und es wurde ausgiebig gefeiert, bis erneut die Zeit zum Abschiednehmen kam. Das lange Lied der Stammesältesten beschwor die Einheit der

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