Tränen des Mondes
wieder verstanden. Die Kluft zwischen ihnen war wieder geschlossen, nachdem Olivia Niah akzeptiert und ihr sogar bei der Geburt beigestanden hatte. Olivia kam nicht umhin, Conrad und Tyndall in ihrer Rolle als Väter miteinander zu vergleichen. Conrad war ein liebevoller, aber konservativer Vater, der die Meinung vertrat, daß ein Baby in die Obhut der Mutter gehörte, während der Vater erst später als Leitfigur auftreten würde. Olivia hatte ihn oftmals ungläubig den Kopf schütteln sehen, wenn er Tyndall mit dem Baby im Schoß auf dem Boden sitzen und der Kleinen derbe Seemannslieder vorsingen sah. Er hatte sich Ahmed gegenüber an die Stirn geklopft, wie um zu bedeuten, daß der Tuan ›nicht ganz richtig im Kopf‹ sei. Ahmed seinerseits war jedoch von dem Baby genauso entzückt, kicherte vergnügt über seine tolpatschigen Bewegungen und setzte sich ebenfalls auf den Boden, um mit dem Baby zu spielen. Wenn Niah das Kind am frühen Abend gestillt hatte, brachte Tyndall die Kleine oft mit zu Conrad und Olivia. Sie schlief dann zufrieden auf seinem Schoß, während die Erwachsenen sich einen Aperitif genehmigten.
Der kleine Hamisch stand oft neben Tyndall, fasziniert von dem neuen Baby. Manchmal berührte er seine Fäustchen und lachte fröhlich, wenn sich die kleinen Finger um seine Hand schlossen. Er strahlte seine Mutter an, wagte aber nicht, sich zu rühren, aus Angst, das Baby zu stören. Oft nahm Tyndall den Jungen dann einfach hoch und setzte ihn neben sich in den Sessel, damit er das kleine olivhäutige Mädchen ganz aus der Nähe betrachten konnte. Auch dies war eine Geste, die Tyndall Olivia näherbrachte.
Es war Conrad nicht entgangen, daß die Freimaurer über Tyndalls häusliche Verhältnisse verhaltene Mißbilligung zeigten.
Major a. D. Ralph White, ein ehemaliger Angehöriger der britischen Armee mit jahrelanger Kolonialerfahrung in Indien, der hier Großgrundbesitzer geworden war und sich nebenbei ein wenig in der Perlenfischerei versuchte, hatte einen Narren an Conrad gefressen. »Komischer Kauz, mit dem Sie sich da zusammengetan haben«, erklärte er mit seinem unbeweglichen gewachsten Schnurrbart und wiegte scheinbar besorgt das Haupt. »Scheint ja eigentlich ein anständiger Kerl zu sein. Hat Ihnen und Ihrer Frau ja wohl in schwierigen Zeiten beigestanden. Trotz alledem, mein Bester, dieses Getue mit dem Baby ist nicht ganz standesgemäß.«
»Ja, ziemlich ungewöhnlich, es so an die große Glocke zu hängen. Aber Tyndall ist nun mal ein eingefleischter Nonkonformist, fürchte ich«, seufzte Conrad.
»Er ist ja nicht der erste, der sich eine Nebenfrau hält, ob nun schwarz oder weiß. Aber so vor aller Augen … Ist wirklich eine mißliche Situation für Sie und Ihre Frau. Die Damen mögen es gar nicht, wenn sich jemand in ihren Kreisen so etwas leistet.«
Obwohl sein Ton freundlich war, hatte Conrad das sichere Gefühl, daß das Thema im Klub schon gründlich diskutiert worden war und man den Major vorgeschickt hatte, ihn darauf anzusprechen.
Conrad wurde etwas warm unter dem Hemdkragen, aber er wollte nicht ausweichen. »Tyndall ist mein Partner, und ich achte ihn wegen seiner Fähigkeiten und seiner Ehrlichkeit. Die Sache ist nun mal seine Privatangelegenheit. Außerdem läßt ihn das ganze Gerede ohnehin kalt. Er lebt nach seinen eigenen Vorstellungen. Aber ich werde ihn noch einmal darauf hinweisen, wie unpassend sein Verhalten ist.« Conrad bemühte sich, möglichst entschlossen zu klingen. Insgeheim wußte er jedoch genau, daß Tyndall nur das tun würde, was ihm paßte. Er beschloß aber doch, ihn sich noch einmal vorzuknöpfen. Vielleicht konnte Olivia ihn ja bitten, etwas diskreter zu sein.
Der Major wechselte das Thema und sprach von seinem neuesten Viehgeschäft, das sich als äußerst lukrativ erwiesen hatte. »Vielleicht investiere ich auch noch in Wolle, alter Knabe. Ist allerdings kein Kinderspiel. Die Schwarzen stechen einem die Viecher ab, das Klima ist rauh, die Arbeiter unzuverlässig, aber alles in allem hab ich wohl ein paar Läufe gut. Apropos«, dabei schlug er sich auf die Schenkel, »es wird Zeit, daß wir wieder einmal ein Kricketmatch arrangieren. Sie sind ein ausgezeichneter Schlagmann, eine echte Bereicherung für das Team.«
Sie bestellten die nächste Runde Drinks, um anschließend noch einmal die Höhepunkte des letzten Klubmatchs durchzugehen, in dem Conrad sich mit erheblichem Ruhm bedeckt hatte, da er den Ball mehrfach über die
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