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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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davonläuft. Ich will erst mal mit Flora Duve reden. Sie hat uns belogen.«
    »Was?«
    »Oder sie hat die Nacht am See wirklich komplett aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Vielleicht kann ich ihrer Erinnerung auf die
     Sprünge helfen, indem ich ihr sage, dass sie nicht alleine zum See gefahren ist, sondern mit ihrem Freund.«
    »Andro war mit am See?«
    »Ja, das hat nicht nur Patrick Felber ausgesagt, sondern Andro auch bestätigt. Angeblich ist er allerdings gegen neun, halb
     zehn zurück in die Stadt gefahren. Er könnte der Radfahrer sein, den die junge Mutter bei der Reihenhaussiedlung gesehen hat.
     Für die Zeit danach hat er ein Alibi. Könntest du das bitte überprüfen?«
    »Okay, wo muss ich hin?«
    »Wahrscheinlich nur in den nächsten Unterrichtsraum. Sie heißt Ivana Horvat. Geht in Flora Duves Parallelklasse.«

10.   Kapitel
    Trixi trat aus dem Schultor und zog die Zigarette hinter ihrem Ohr hervor. Normalerweise rauchte sie nicht, hatte es nur ein,
     zwei Mal probiert. Trotzdem hatte sie von Eddie eine Kippe geschlaucht. Sie dachte, es würde sie vielleicht ablenken. Dachte,
     mit der Zigarette könnte sie eine andere werden. Zumindest für ein paar Minuten. Sie könnte sich vorstellen, dass alles nur
     ein Film wäre. Sie hatte eine tragische Rolle, eine Figur, die erst mal eine rauchen musste, weil der Tag so scheiße gelaufen
     war. Danach würde es ihr besser gehen. So war es doch in den Filmen.
    Trixi stellte sich in die Ecke neben dem Tor, drehte die Zigarette zwischen den Fingern und sah sie gedankenverloren an. Schlechter,
     als ihr schon war, konnte ihr von der Zigarette auch nicht mehr werden.
    Seit der vierten Stunde war in der Schule die Hölle los gewesen. Erst hatte ein Polizist Patrick Felber aus dem Unterricht
     geholt, dann war ein anderer Polizist durchs Schulgebäude gelaufen und hatte Fragen über Flora, Andro und Patrick Felber gestellt.
     Dass Felber verhört worden war, verbreitete sichschneller in der ganzen Schule als die Privatfotos der Referendarin im Internet.
    Was wollte die Polizei von Andro und Patrick Felber? Wieso schnüffelte sie in der Schule rum, statt den Psychopathen da draußen
     zu fangen? Oder waren sie ihm bereits auf der Spur, hier, in der Schule?
    Auf einmal spürte Trixi einen Atem dicht hinter sich. Es war der gleiche gehetzte Atem wie gestern Abend am Telefon.
    »Warst du das?«
    Trixi zuckte zusammen, die Zigarette fiel zu Boden und rollte die Treppen vom Schuleingang hinab. Trixi drehte sich um. Vor
     ihr stand Patrick Felber. Es kam ihr so vor, als wären seine kleinen Augen noch tiefer im Gesicht versunken. Sie hatten rötliche
     Ränder.
    »Warst DU das?«, fragte er abermals. Seine Stimme klang kalt.
    Erst jetzt bemerkte Trixi, dass er ihr auf Hüfthöhe etwas hinhielt. Es war ein Blatt Papier. Jemand hatte es offenbar zerknittert
     und dann wieder auseinandergefaltet. Es zitterte leicht in Patricks Hand, dennoch konnte Trixi lesen, was dort geschrieben
     stand:
Verrecke, du Schlächter!
    Die Buchstaben waren spitz, krakelig und blutrot. Sie sahen aus, als hätte sie jemand mit einem Holzspan, einem Messer oder
     einem anderen spitzen Gegenstand auf das Papier gekliert. Das Blatt war von dunkelroten Flecken bedeckt, als hätte ein Gemetzel
     darauf stattgefunden.
    »Sag schon, hast
du
das geschrieben?«, zischte Patrick durch die Zähne, die er aufeinanderbiss.
    »Steck das weg!« Trixi schob Patricks Hand zur Seite. »Das war ich nicht. Wer so was schreibt, ist doch genauso krank wie
     der Typ vom See.«
    Patrick sah Trixi noch einen Moment an, dann knüllte er das Blatt mit einer Hand langsam zusammen. Er sah aus, als wüsste
     er nicht, wohin mit dem Knäuel, schließlich steckte er ihn in die Hosentasche. »Ich bin kein Schlächter«, sagte er leise.
    Trixi erwiderte nichts. Sie musterte Patrick. Er hatte sich in ihren Augen seit der ersten Klasse kaum verändert. Nur blieb
     man mit dem Blick statt an den Zahnlücken, die er damals gehabt hatte, jetzt unweigerlich an den Pickeln auf Kinn und Stirn
     hängen. Er hatte noch immer etwas Weiches, Kindliches. Seine Augen lagen so tief im Gesicht, als wollte er darin etwas verbergen.
     Patrick war schon immer ein Einzelgänger gewesen, ließ keinen rein. Vielleicht hatte es auch nur noch niemand versucht. Was
     wusste sie schon über ihn? Er sah zwar nicht aus wie ein Mädchenschlächter, aber das hieß nicht, dass er keiner sein konnte.
     Und wie sah überhaupt jemand aus, der so etwas tat? »Was

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