Traenenengel
ist das denn?
F: Es war ein Angler.
A: Haben Sie den schon vernommen und gefragt, was er den ganzen Abend gemacht hat?
F: Keine Sorge. Ich weiß, wie ich meinen Job zu erledigen habe. Du hörst sicher noch mal von uns.
***
Leif Sälzer trat durch die Glastür des Bürogebäudes, in dem sich die Firma
Interface
befand, nach draußen. Er steckte die Hand in die Jackentascheund suchte nach seinem Handy. Die Taschennaht hatte sich aufgelöst und das Handy war in den unendlichen Weiten des Futters
verschwunden.
»Sie sind doch dieser Kommissar?« Eine Frau blieb neben Sälzer stehen. Sie sah aus wie eine nordische Göttin, hatte einen
stolzen, geraden Rücken und intelligente Augen. Sälzer schätzte sie auf Mitte dreißig.
»Polizeihauptmeister Sälzer«, sagte er.
»Polizeihauptmeister also.« Die Frau lächelte. Auf beiden Wangen tauchten völlig unerwartet Grübchen auf.
Sälzer lächelte zurück. »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Können Sie.« Die Frau trat einen Schritt näher an ihn heran. Sie war fast so groß wie Sälzer und er konnte ihren Atem spüren.
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich, als sie auf einmal zischte: »Finden Sie endlich dieses abartige, kranke Scheusal vom See.
Das ist ihr verdammter Job.«
Sälzers Lächeln verschwand schlagartig. »Den erledige ich auch.«
Die Frau trat einen Schritt zurück. »Nicht schnell genug.« Ihre Augen wurden weich. »Nicht schnell genug, wenn man eine Tochter
im gleichen Alter hat.« Sie drehte sich um, ging mit hastigen Schritten auf ein taubengraues Auto zu, das vor dem Bürogebäude
parkte, schloss die Fahrertür auf, stieg ein und fuhr davon, ohne den Polizeihauptmeister noch eines Blickes zu würdigen.
Sälzer sah auf die leere Parklücke, in der das Auto eben noch gestanden hatte. Vielleicht holte die Frau ihre Tochter jetzt
von der Schule ab. Vielleicht sah die Tochter aus wie sie. Groß, blond, stolz. Vielleicht erschienen auf ihren Wangen auch
zwei Grübchen, wenn sie lächelte. Er verstand die Angst der Frau. Doch er konnte sie ihr nicht nehmen. Noch nicht.
Erst nach ein paar Sekunden bemerkte Sälzer, dass seine Hand noch im Futter der Jacke steckte und das Handy umklammert hielt,
das er anscheinend unbewusst gefunden hatte. Er holte es heraus und rief Masaryk an.
»Wie sieht's aus?«, fragte er.
»Ich hab mit drei Lehrern und einem Dutzend Schülern geredet. Im Großen und Ganzen ergibt sich ein einheitliches Bild: Flora
Duve und Andro Petric waren das Traumpaar der Schule. Sie der künstlerisch veranlagte, lebenslustige Paradiesvogel, er der
realistische, sportliche Typ mit der harten Schale und dem weichen Kern.«
Sälzer hörte im Hintergrund eine Schulklingel, dann mehrere helle Stimmen, die zu einem einheitlichen Lärmpegel anschwollen.
»Was ist mit Patrick?«
»Außenseiter. Es gibt ein paar Leute, die ab und zu mit ihm Schach spielen. Aber sonst macht er meistens alleine sein Ding.
Er ist relativ gut in der Schule. Gab nie Probleme mit ihm. Außer, dass ereinigen Lehrern zu ruhig ist. Manche können sich kaum an ihn erinnern.«
»Gibt es irgendeine Verbindung zu Flora oder Andro?«
»Zu Andro wohl nicht. Sie gehen zusammen auf eine Schule, das ist alles. Bei Flora wird es allerdings interessant. Ich habe
mich länger mit Beatrix Jerger darüber unterhalten, das ist diese Trixi, Floras beste Freundin. Warten Sie mal kurz.«
Sälzer hörte Gekreische und Türenschlagen, dann wurde es etwas ruhiger. »Bist du aufs Schulklo geflüchtet?«
»So ähnlich. Also, diese Trixi hat mir erzählt, dass Patrick Felber seit der ersten Klasse in Flora verliebt ist. Damals hat
er angeblich ihren Namen mehrmals auf sein Lineal geritzt.«
»Das ist ja nun 'ne Weile her.«
»Patrick scheint ein sehr ausdauernder Verehrer zu sein. Aber auch sehr zurückhaltend. Trixi meinte, er hätte Flora nie genervt,
immer nur aus der Ferne angehimmelt. Vor ein paar Wochen allerdings, da hat er Flora angesprochen und gefragt, ob sie sich
mal treffen können. Flora hat ihm eine ziemlich klare Abfuhr erteilt. Sie war da schon mit Andro zusammen und Trixi glaubt
auch nicht, dass Flora sonst mit Patrick irgendetwas unternommen hätte.«
»Patrick ist also seit neun oder sogar zehn Jahren in Flora Duve verliebt. Er nimmt seinen Mut zusammen,spricht sie an, sie serviert ihn ab. Wenn das alles so stimmt, hat Patrick Felber ein Motiv.«
»Sollen wir ihn noch mal vernehmen?«
»Später. Ich glaube nicht, dass der uns
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