Traeum weiter Baby
sagst es. Wir wissen, daß Buzz nicht fliegen kann, Woody weiß es, aber Buzz denkt die ganze Zeit, er ist ein echter Astronaut und keine Puppe. Und jetzt der Knaller: Am Schluß kann er auf einmal doch fliegen, ist das nicht irre?«
Moritz guckte mich mit großen Augen an.
»Und was lernen wir daraus?«
Moritz schwieg.
Ich küßte ihn auf die Nasenspitze.
»Du bist, was du sein möchtest. Oder du kannst es dir zumindest einbilden, und das reicht ja meistens schon, um glücklich zu sein.«
Moritz lächelte, dann knabberte er an Buzz’ rechtem Fuß, und ich arbeitete weiter.
|64| Als er wieder in der Kasserolle lag, konnte ich mich besser konzentrieren und fand sogar eine falsche Jahreszahl. Welch ein Erfolg! Sie bezog sich auf ein Bild, auf dem ein Haus zu sehen war, eine mediterrane Villa. Um die Villa herum war es stockdunkle Nacht. In scharfem Kontrast dazu strahlte es am Himmel taghell. Weiße Zuckerwattewolken auf babyblauem Grund. Je länger ich hinguckte, desto mehr bekam ich das Gefühl, daß in der Villa grausige Dinge vor sich gingen, während der Rest der Welt ein Biergarten unter Schäfchenwolken war. Ich starrte auf das Bild und überlegte, wie es sein kann, daß hell und dunkel so dicht nebeneinander existieren.
Das Telefongebimmel riß mich aus meinen Gedanken. Obwohl der Hörer direkt neben mir auf dem Boden lag, erwischte ich den Anrufer nicht mehr. Als ich die Sprechtaste drückte, war es kurz still, dann kam das Freizeichen. Mir fiel siedendheiß ein, daß ich meiner Mutter noch nicht abgesagt hatte.
Als ich die Nummer wählte, hoffte ich, daß meine Mutter sich ausnahmsweise beherrschen konnte und sich nicht über Saschas Arbeitszeiten auslassen würde, die ihrer Meinung nach nicht mit einer Familie zu vereinbaren waren und zum Zusammenbruch derselben führen mußten. Die nachfolgende Diskussion stürzte mich erfahrungsgemäß in Depressionen, und ich grübelte tagelang darüber nach, wie ich meine Beziehung retten konnte, ohne daß Sascha den Job wechseln mußte, was illusorisch war, weil Sascha jetzt, wo er zum ersten Mal etwas tun konnte, was ihm wirklich Spaß machte, es bestimmt nicht hinschmeißen würde, nur weil meine Mutter dumme Bemerkungen machte.
Doch meine Mutter hatte zum Glück gerade Besuch von irgendwelchen Kaffeetanten aus der Nachbarschaft und deshalb keine Zeit, mich in Depressionen zu stürzen. Es war ihr ganz recht, daß sie nicht babysitten mußte, weil |65| heute abend ein Film auf Premiere lief, den sie bei uns nicht gucken konnte, weil wir kein Premiere hatten.
»Dann viel Spaß heute abend«, sagte ich.
»Danke. Ich kümmere mich jetzt besser wieder um meinen Besuch.«
»Gut«, sagte ich, was gelogen war.
Da meine Mutter anscheinend nicht vorhatte, dumme Bemerkungen über Sascha zu machen, hätte ich mich doch ganz gerne noch ein bißchen mit ihr unterhalten, um zu hören, was in der Welt da draußen abging, in der alle außer mir Pläne für den Samstagabend hatten.
»Ach übrigens«, sagte ich, als sie gerade auflegen wollte, »was ist eigentlich mit Ostern?«
Das war ein geschickter Schachzug. Meine Mutter hatte eine schränkefüllende Schwäche für Dekorationen, die alljährlich saisongerecht aktualisiert wurden. Normalerweise war sie um diese Zeit schon längst vom Osterhasenfieber befallen und scharf darauf, sich darüber zu unterhalten. Aber heute ging der Schuß nach hinten los.
»Nicole hat mir erzählt, daß Sascha an Ostern nach Venedig fährt«, sagte meine Mutter, »stimmt das?«
»Nicole ist ein Plappermaul.«
»Warum fährst du nicht mit?«
»Es ist keine Urlaubsreise. Er fährt für einen Abend zu einem Meeting, und dann kommt er zurück.«
»An Ostern?«
»Es ist sein Job! Von meinem Geld können wir nicht leben!«
»Entschuldige, daß ich mir Sorgen mache«, sagte meine Mutter, »ich finde nur, ihr solltet etwas Zeit miteinander verbringen. Nicht daß ihr so endet wie Papi und ich.«
Jetzt hatte sie es doch geschafft. Ich war deprimiert.
Meine Mutter sagte nie, daß es ihr leid tat, daß es mit meinem Vater nicht geklappt hatte. Ganz im Gegenteil. Sie sagte, daß diese Ehe das Beste war, was ihr passieren |66| konnte, weil aus ihr zwei wunderbare Töchter hervorgegangen waren. Ich erinnerte sie ab und zu daran, daß sie außerdem das Haus behalten hatte, während mein Vater mit dem Scheidungsgrund in eine kleine Wohnung ziehen mußte. Meine Mutter hatte das Haus noch, während der Scheidungsgrund meinem Vater nach einem halben
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