Traeum weiter Baby
Jahr davongelaufen war. Trotzdem machte es nicht den Eindruck, als ob sie darüber zufrieden sei, und einer ihrer Standardsprüche war, wir sollten zusehen, daß uns so etwas nicht passierte. Leider sagte sie nie, wie wir es verhindern könnten.
»Ich wollte dieses Jahr kein Osterfrühstück machen«, sagte meine Mutter plötzlich.
Ich war platt.
»Was soll das denn heißen? Ich dachte, wir frühstücken bei dir? Wie immer. Du hast doch bestimmt schon alle Häschen und Eier und so eingekauft?«
Meine Mutter lachte.
»Man kann es auch übertreiben, weißt du?«
Das war mir neu.
»Was ist denn mit dir los?«
Wieder lachte meine Mutter.
»Nichts.«
»Und warum gibt es dann kein Osterfrühstück?«
»Ich dachte, nur, weil Nicole nicht da ist, wir könnten es mal anders machen als sonst. Ich habe neue Nachbarn. Du weißt doch, daß die Strattmanns umgezogen sind? Das weiße Haus hinter unserem Grundstück…«
Das war mal ein schneller Themenwechsel! Und vom Krisengebiet im Sudan jetzt zu unserem Wetter. Ich hatte weder eine Ahnung, wer die neuen Nachbarn waren, noch Interesse, mich über sie zu unterhalten. Und zu weißen Häusern hatte ich seit dem Magritte ein gespaltenes Verhältnis.
»Aha«, sagte ich ungeduldig, »und was ist mit denen?«
|67| »Jedenfalls hat das Ehepaar Möhlmann das Haus gekauft. Wirklich sehr nette Leute. Er ist…«
»Hat Herr Möhlmanns Job irgendwas mit unserem Osterfrühstück zu tun?«
»Du bist wie dein Vater, Melanie, der hat mich auch nie ausreden lassen. Jedenfalls sind die Möhlmanns gerade zum Kaffee hier, deshalb muß ich jetzt auch Schluß machen. Ich wollte nur sagen, daß sie auch so gerne wandern, und wir sind gerade dabei zu überlegen, ob wir an Ostern, sofern das Wetter es erlaubt, zusammen in die Berge fahren.«
Ich war schockiert. Anscheinend hatte jeder außer mir eine Freizeit und entsprechende Pläne dafür. Sogar meine Mutter!
»Ich hoffe, du bist jetzt nicht enttäuscht«, sagte sie jetzt glatt, »Nicole ist in London, und ich dachte, du fährst mit Sascha nach Venedig. Ihr solltet wirklich mal wegfahren.«
Als wir aufgelegt hatten, grübelte ich darüber nach, wie ich meine Beziehung vor dem Untergang bewahren konnte. Wegfahren war wirklich keine schlechte Idee, und ich mochte Venedig.
Das letzte Mal waren Sascha und ich auf dem Weg nach Sizilien dort gewesen. Nachdem wir stundenlang mit quietschenden Scheibenwischern durch den Regenmatsch gepflügt waren und müde Augen hatten, machten wir total müde in Venedig halt und verbrachten dort einen tollen Abend, der bis in den Morgen ging. Bei Sonnenaufgang fuhren wir mit dem ersten Vaporetto zum Lido, und dort hat Sascha mir einen Heiratsantrag gemacht. Es war der schönste Antrag, den man sich vorstellen kann, und obwohl wir immer noch nicht dazu gekommen waren zu heiraten, war von da an klar, daß wir zusammengehörten. Ich hätte wirklich Lust auf Venedig gehabt, aber ich konnte mir schon vorstellen, was Sascha sagen würde: kein Geld, keine Zeit – das Übliche.
|68| Um mich von der Urlaubsmisere abzulenken, guckte ich noch ein bißchen in den Magritte und konnte eine Kunstfloskel aus dem Warhol-Artikel einbauen, die dem Kapitel den letzten Schliff gab. Als ich zu müde wurde, um weitere Fehler zu finden, ging ich in die Küche.
Ich nahm mir einen Joghurt aus dem Kühlschrank und sah, daß der Karton mit den Eiern, den ich vorgestern gekauft hatte, noch voll war. Wenn meine Mutter streikte, mußte ich wohl dieses Jahr selbst Eier bemalen. Ich setzte die Eier auf. Von diesen Möhlmanns würde ich mir unsere Ostertradition nicht über den Haufen werfen lassen.
Dann setzte ich mich mit dem Joghurt und einem Glas Rotwein an den Tisch und blätterte in Saschas Flyer, der noch auf dem Tisch lag.
Es waren Berichte über Clubs darin und über Leute, die aussahen, als hätten sie eine Menge mehr Spaß am Leben als ich heute abend. Oder sie zeigten es nicht, wenn sie keinen hatten. Es gab sogar eine ganze Seite über den letzten Faschingsdienstag im Club. Von mir war leider kein Foto dabei, was schade war, weil ich eine Superverkleidung hatte. Ich war Pussy Galore aus ›Goldfinger‹ und hatte mir in einem Oma-Friseursalon um die Ecke die Haare im Jackie-O.-Stil toupieren und föhnen lassen. Der Fotograf mußte gekommen sein, als ich schon weg war. Ich mußte an dem Abend früh nach Hause, weil meine Mutter babysittete. Dafür kam Sascha auf einem Foto ganz gut rüber. Er war als Heino gegangen und
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