Traeum weiter Baby
sich in Wirklichkeit nur eine Line reinzogen. Als das Schlürfen aufhörte, redeten sie weiter.
»Everybody laughs about him«, sagte Ike, »except for his spicy girl.«
»It’s unfair because he really is a good player.«
»In some jobs you make only one mistake. You should know that.«
Sascha antwortete nicht.
Ich atmete tief durch und wollte gerade in die Küche gehen, als mein Blick durch den Türspalt auf die Knarre fiel, die auf dem Tisch lag. Sie glitzerte silbern.
Ich erschrak und trat automatisch einen Schritt in den Flur zurück und hoffte, daß mich die beiden nicht gesehen hatten. Aber sie unterhielten sich weiter, und ich ging auf Zehenspitzen zurück ins Schlafzimmer und drückte die Tür leise zu. An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken.
Nach etwas, das mir vorkam wie eine Ewigkeit, hörte ich die beiden im Flur, dann fiel die Wohnungstür ins Schloß. Es wurde still, nur mein Herz pochte laut. Waren sie zusammen weggegangen, oder war Sascha hiergeblieben und Ike war weg?
Auf einmal Schritte. Sascha ging ins Bad. Im nächsten Moment fing er laut an zu würgen. Ich saß wie versteinert im Bett und hörte ihm beim Kotzen zu. Du kotzt jetzt ein paar hundert Mark ins Klo, dachte ich wütend, aber für Urlaub hast du kein Geld.
Als er fertig war, ging er mit schleppenden Schritten in sein Zimmer und ließ die Tür hinter sich zuknallen. Ich wartete, bis ich sicher sein konnte, daß er schlief, dann stand ich auf und ging auf die Toilette. Es stank nach |72| Galle, und ich trat mitten in den warmen Brei. Angewidert zog ich meinen Fuß zurück und hüpfte auf einem Fuß ins Bad. Ich duschte mich ab und pinkelte dabei in die Badewanne. Dann ging ich in die Küche. Die Knarre war weg, meine Ostereier auch. Inmitten der Schalen lag ein Tütchen Koks.
|73| the streets of philadelphia
Sieben Uhr, Nieselregen, kein Mensch unterwegs. Wo sind die nur alle?
Ich schob den Kinderwagen zum Hauptbahnhof, die einzige Chance, um diese Zeit ein offenes Café zu finden. Reisende und andere Heimatlose tranken schweigend Kaffee aus Pappbechern und stierten einander mit müdem Blick an. Der Tee sah aus wie Brackwasser und schmeckte auch danach. Das Croissant war eindeutig aus Styropor.
Der einzige, dem die Atmosphäre hier nicht aufs Gemüt schlug, war Moritz. Er nuckelte an der Sonntagszeitung. Sie schien ihm gut zu schmecken, da aber Druckerschwärze nicht zu den empfohlenen Grundnahrungsmitteln für Kleinkinder gehört, wand ich sie ihm aus den Knubbelfingern und ersetzte sie durch den Plastikteelöffel. Die geschmackliche Umstellung störte ihn nicht, aber er fand den Löffel anscheinend zu trocken, deshalb versuchte er, ihn in den Tee zu tunken, mit dem Ergebnis, daß die Tasse umfiel und das Brackwasser über meine Zeitung lief.
Jetzt war nur noch die Titelseite zu lesen. Briefträger erschlug Frau und drei Kinder mit Eisenstange, berichtete die Schlagzeile. Amoklauf eines Wahnsinnigen oder Verzweiflungstat eines Kranken? Diese Frage sollten sich die Schreiberlinge selbst beantworten, ich hatte meine eigenen Probleme. Da las ich doch lieber den Artikel über eine Schauspielerin, die mit Trennkost zwanzig Kilo abgenommen hatte. Sie hoffte, daß das ihrer Karriere neuen Aufschwung geben würde. Wenn das nicht der Fall sein sollte, |74| würde spätestens das Foto seine Wirkung nicht verfehlen, dachte ich, denn sie hatte sich nackt ablichten lassen, und man konnte deutlich erkennen, wie ihr die Diät bekommen war. Im Vergleich zu diesen Bildern konnte mich der Briefträger nicht mehr schocken: Am Samstag war der zweiunddreißigjährige Manfred W. gegen 20 Uhr nach Hause gekommen. Nach einem heftigen Streit mit seiner Frau verließ er die Dreizimmerwohnung im dritten Stock des Mietshauses um 20 Uhr 30. Nachbarn verständigten die Polizei, als sie nach der Frau sehen wollten und keine Reaktion aus der Wohnung kam. Beim Eintreffen der Beamten waren Frau W. und ihre drei Kinder bereits verstorben. Manfred W. befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. Laut Angaben der Polizei hat Herr W. die Tat gestanden und bereut sie zutiefst. An den Tathergang kann er sich nicht erinnern, weil er zu dem Zeitpunkt unter Alkoholeinfluß stand. Da Herr W. unter akuten Depressionen leidet und deshalb Selbsttötungsgefahr besteht, hat sein Anwalt die Einweisung in eine psychiatrische Klinik beantragt.
Nachdem ich ein Vermögen für das Brackwasser und das Styroporteil bezahlt hatte, schob ich den Kinderwagen zum Stadtmuseum, in
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