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Traeum weiter Baby

Traeum weiter Baby

Titel: Traeum weiter Baby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Brown
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trug einen hellblauen Anzug und eine gelbe Perücke mit einem idiotischen Scheitel.
    Doro war auf allen Fotos drauf. Sie grinste, knutschte oder prostete mir überall entgegen. An dem Abend hatte sie toll ausgesehen. Sie trug ein schwarzes Lackoutfit, und ich war mir total unbedarft vorgekommen, weil ich nicht kapiert hatte, wen sie darstellte, und niemanden fragen wollte. Ich vermutete, daß es eine Insidersache war, und wollte nicht als dummes Muttchen geoutet werden, das |69| dermaßen hinter dem Mond lebt, daß es witzige Anspielungen auf den zeitgeistigen Alltag nicht versteht. Ich habe es nie erfahren. Wer cool sein will, bleibt eben dumm.
    Doro war klein und dünn, dünner als ich, und hatte schwarze glatte Haare. Geschminkt sah sie aus wie Cher, ungeschminkt wie Harald Schmidt mit Perücke. Vermutlich malte sie sich die Lippen so stark an, um von der Tatsache abzulenken, daß sie keine hatte. Leute mit einem Strich im Gesicht wirken kalt, und Doro war eiskalt. In einem anderen Leben wäre sie Gefängnisaufseherin geworden. Sie kommandierte die Leute an der Bar herum und behandelte die Gäste von oben herab, als sei es eine Gnade, daß sie ihr Geld in ihrem Laden lassen durften. Es war kein Wunder, daß Sascha gestreßt war, wenn er nach einem Abend mit ihr nach Hause kam.
    Doch auch wenn sie ihn nervte und herumkommandierte, verteidigte er sie immer. Du verstehst sie nicht, sagte er, weil du anders bist. Du mußtest nie kämpfen. Was folgte, war ein Sozialdrama über unterprivilegierte Kinder, die zu Weihnachten nur ein Spielzeug kriegten und im Erwachsenenleben alles nachholen mußten, was ihnen vorenthalten worden war. Sascha und Doro kamen sozusagen aus demselben Stall, und manchmal war ich deswegen fast eifersüchtig auf sie. Da ich in ihr Geheimnis eingeweiht werden wollte, hatte ich den Versuch gemacht, Saschas Familie besser kennenzulernen, aber Sascha hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Sein Elternhaus sei ein Sumpf, und anscheinend fürchtete er, daß auch Besucher darin versinken würden. Er wollte die Vergangenheit hinter sich lassen und sein neues Leben schöner und besser gestalten. Saschas größte Angst war es, so zu enden wie seine Eltern. Deshalb riß er sich im Club den Hintern auf.
    »Du verstehst das nicht«, sagte er, »aber ich will etwas erreichen. Es kommt nicht jeder so durchs Leben, wie |70| du. Ich weiß, über Geld redet man in deinen Kreisen nicht, Prinzessin. Ist ja auch kein Problem, wenn man es hat. Aber mir ist noch nie im Leben etwas geschenkt worden. Ich muß mir alles selber erkämpfen.«
    In diesem Punkt war Sascha wie mein Vater, der auch dachte, daß die Aufgabe eines Familienhäuptlings darin bestand, Geld anzuhäufen. Daß er dafür einen hohen Preis bezahlte, bemerkte er genausowenig wie mein Vater.
    Als ich den Flyer durchhatte, waren die Eier fertig und mein Rotweinglas leer. Ich goß noch mal nach, dann schreckte ich die Eier ab, holte meinen Aquarellkasten und fing an zu malen.
    Es wurden sehr schrille Ostereier, vielleicht, weil ich beim Malen die Flasche gekillt hatte.
    Nachher im Bett stellte ich mir vor, daß Sascha neben mir lag. Oder ein anderer Mann. Ein Mann, der Zeit für mich hatte. Aber ich wußte, daß ich keinen anderen als Sascha wollte und nur deshalb durchdrehte, weil ich zuviel Rotwein und zuwenig Sex hatte. Und weil ich hundemüde war. Ich zog die Decke über den Kopf.
    Als ich aufwachte, war es noch dunkel.
    Ich hörte Saschas Stimme. Er unterhielt sich mit jemandem. Ich tastete nach dem Wecker. Es war kurz nach fünf. Ich stand leise auf und machte die Schlafzimmertür auf. Sascha redete englisch. Ich zog meinen Bademantel über und ging auf den Flur. Jemand antwortete auf englisch. Wenn ich jetzt dazukam, würde dieser Jemand den Wink hoffentlich verstehen und abhauen. Sascha könnte mit mir ins Bett kommen und mich davor bewahren, von fremden Männern zu phantasieren.
    Die Küchentür stand einen Spalt offen, und ich hörte, daß sie über Fußball sprachen. Die andere Stimme war die von Ike. Als ich am Flurspiegel vorbeikam, stellte ich fest, daß ich es in meinem Bademantel nicht mit den attraktiven Frauen aufnehmen konnte, denen sie heute abend |71| vermutlich reihenweise begegnet waren. Ich zupfte meine Haare notdürftig zurecht und rieb mir den Schlaf aus den Augen, als plötzlich ein schlürfendes Geräusch zu hören war. Es war mir unangenehm, das mitzukriegen, als hätte ich sie bei etwas Intimem belauscht, obwohl sie

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