Traeum weiter Baby
provokant tat, hatten die Pfeile, mit denen sie ihren One-Night-Stand attackierte, dadurch an Schärfe verloren, daß sie ihn anguckte, während sie sie ihm in die Rippen rammte.
|86| Aber Tomas war schmerzunempfindlich.
»Ich muß dich enttäuschen. Ich arbeite für ein Tiefbauunternehmen«, sagte er.
Es war deutlich, daß Paula mit dieser Antwort mehr als zufrieden war, was sie geschickt zu verbergen versuchte, indem sie gastgeberische Pflichten vortäuschte.
»Aha«, sagte sie und stand auf, »ich seh gerade, daß ihr keinen Kaffee mehr habt. Soll ich noch welchen machen? Mel, trinkst du noch eine Tasse?«
Sie guckte mich hilfesuchend an, aber ich ließ sie eiskalt auflaufen. Tomas war auch bei Tageslicht echt nett, und ich fand, er hatte eine Chance verdient.
»Paula, ich trinke Tee, hast du das vergessen?«
Paula guckte mich verwirrt an.
»Natürlich nicht«, sagte sie schnell und fuhr sich durch die dunkle Mähne, als hätte sie ausgerechnet jetzt den ultimativen Dreh gefunden, um ihre Locken zu bändigen. Tomas sah ihr fasziniert dabei zu. »Möchtest du noch Tee?«
Sie fing an, mir etwas leid zu tun, weil es sie offensichtlich aus dem Konzept brachte, daß Tomas sich immer noch nicht als mackenbeladener Idiot geoutet hatte. Kein Wunder, daß sie aus lauter Verwirrung an ihren Haaren zippelte.
»Der Kleine schläft«, sagte Tomas, »willst du, daß ich ihn in den Wagen lege?«
Ich nickte. Man mußte Tomas einfach mögen. Wenn Paula ihn nicht haben wollte, könnte ich ihn ja behalten, vorausgesetzt, er war nicht auf Schwarzhaarige fixiert. Doch dann verwarf ich den Gedanken wieder, weil mir einfiel, daß ich ja bereits ein – wenn auch weit weniger perfektes – Exemplar seiner Gattung zu Hause hatte. Ich seufzte. Auf einmal war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich es jemals schaffen würde, die Probleme mit Sascha zu klären. Vielleicht war er doch nicht mehr der Richtige für mich?
|87| »Wie kam es denn, daß deine Mutter gegangen ist«, wollte ich von Paula wissen.
Sie seufzte.
»Das Thema wieder«, stöhnte sie, »interessiert dich das wirklich?«
»Tut mir leid.«
Sie guckte mich prüfend an.
»Ist schon gut.«
Sie goß Kaffee und Tee auf und setzte sich wieder hin.
»Es hat ziemlich lang gedauert, bis sie kapiert hat, was los ist. Als sie endgültig die Nase voll hatte, war ich sechs. Das hört sich jetzt an, als wäre meine Mutter eine totale Trantüte, aber das ist sie nicht. Sie hat einfach zu lange gehofft, daß sich alles wieder einrenkt.«
Das konnte ich sehr gut nachvollziehen. Tomas auch.
»Das ist doch ganz normal«, verteidigte er Frauen wie Paulas Mutter und mich, »man muß ja auch mal Krisen miteinander durchstehen, oder etwa nicht?«
»Das darfst du mich nicht fragen«, sagte Paula, »ich weiß nur, daß ich niemals so leiden will wie meine Mutter. Sie hat sich gequält und verbogen bis zum Gehtnichtmehr. Mein Vater steht nach dem Abendessen, das sie ihm gekocht hat, auf, weil er irgendwelche Kunstidioten treffen will, und meine Mutter macht sich Vorwürfe, weil sie denkt, wenn sie mehr von Kunst verstehen würde, würde er den Abend mit ihr verbringen. Meine Mutter bucht den gemeinsamen Urlaub, und mein Vater sagt in letzter Sekunde ab, weil er lieber mit Graf Wichtig zum Segeln fährt. Prompt macht sich meine Mutter Vorwürfe, weil sie denkt, daß sie seine Bedürfnisse nicht versteht. Aber irgendwann hat sie dann kapiert, daß der Typ grundsätzlich nur macht, was er will, ohne Rücksicht auf Verluste.«
Sie seufzte.
»Na ja, und die Sache mit der Uni-Feier war so wichtig für mich, weil ich immer noch gehofft hatte, daß er ausnahmsweise |88| mal etwas tut, das für mich wichtig ist und nicht für ihn. Ich war ja so naiv.«
Sie lachte darüber, aber ich war völlig niedergeschlagen. Alles, was sie erzählte, stammte direkt aus meinem Leben. Es kam mir so verdammt bekannt vor. Paula guckte mich prüfend an.
»Das ist kein tolles Thema für eine junge Mutter«, sagte sie dann, »aber keine Sorge! Nicht alle Väter sind so, das weißt du doch am besten. Dein Vater ist schließlich zum Magisterbesäufnis erschienen.«
Mein Vater war mir im Moment ziemlich egal, ich dachte nur an Sascha. Wenn er sich so wenig um sein Kind kümmerte wie bisher, würde Moritz später nicht einmal auf die Idee kommen, ihn zu seinen Besäufnissen einzuladen.
»Dein Tee ist fertig!«
Paula stupste mich am Arm.
Ich nahm einen Schluck von dem warmen Gebräu und fühlte mich sofort
Weitere Kostenlose Bücher