Träum weiter, Liebling
ihm hinaufstarren zu können, die wie eine explodierende Galaxis von Sternen dort schwebte. In bunten Glühbirnen standen dort die Worte Pride of Carolina, der Stolz von Carolina.
Mit einem Gefühl tiefer Resignation öffnete sie die Motorhaube und wich dann vor der dicken, schwarzen Rauchwolke zurück, die hervorquoll. Der Mechaniker in Norfolk hatte sie gewarnt, dass es der Motor nicht mehr lange machen würde, und sie wusste, dass dies nicht ein Problem war, das sich mit Ersatzteilen vom Schrottplatz lösen ließ. Sie ließ den Kopf hängen. Es war nicht nur so, dass sie damit ihr Auto verlor, sondern gleichzeitig auch ihr Zuhause, denn sie und Edward schliefen schon seit fast einer Woche im Wagen. Sie hatte Edward weisgemacht, dass sie Glückspilze wären, weil sie ihr Heim überallhin mitnehmen konnten wie Schildkröten.
Sie ging in die Hocke und versuchte, diesen neuerlichen Schicksalsschlag zu verdauen, einen Schlag, der nur das Ende einer langen Kette ähnlicher Schicksalsschläge bildete, die sie letztlich in dieses Städtchen zurückgeführt hatten, einen Ort, den sie geschworen hatte, nie wieder zu betreten.
»Verschwinde da, Junge.«
Die tiefe, bedrohliche Männerstimme riss sie aus ihrer Verzweiflung. Sie schoss so schnell in die Höhe, dass ihr einen Moment lang schwindlig wurde und sie sich an der Motorhaube festhalten musste, um nicht umzukippen. Als ihr Kopf wieder klar war, sah sie ihren Sohn wie erstarrt vor einem bedrohlich aussehenden Fremden in Jeans, einem alten blauen Arbeitshemd und einer Spiegelglasbrille stehen.
Sie hastete so rasch um das Auto herum, dass ihre Sandalen auf dem Kies abrutschten und sie beinahe hingefallen wäre. Edward war starr vor Schreck und konnte sich nicht rühren. Der Mann streckte den Arm nach ihm aus.
Früher einmal war sie ein sanftes, ausgesprochen höfliches, ja verträumtes Mädchen vom Lande gewesen, doch das Leben hatte sie hart gemacht, und sie fauchte den Mann an: »Rühren Sie ihn ja nicht an, Sie Bastard!«
Er ließ langsam den Arm sinken. »Ihr Kind?«
»Ja. Und unterstehen Sie sich, ihn anzufassen!«
»Er hat in meine Büsche gepinkelt.« Die rauhe, ausdruckslose Stimme des Fremden besaß die gedehnte Sprechweise der Bewohner der Südstaaten, ohne jedoch eine Spur von Emotion aufzuweisen. »Sehen Sie zu, dass er von dort verschwindet.«
Jetzt erst sah sie, dass Edwards Hosenschlitz offenstand, was ihren zarten kleinen Jungen noch verwundbarer aussehen ließ. Schreckerstarrt stand er da, Pferdchen unter die Achsel geklemmt, und starrte zu dem riesigen Mann hoch, der sich vor ihm auftürmte.
Der Fremde war schlank und hochgewachsen, hatte glattes, dunkles Haar und einen verbitterten Zug um den Mund. Sein Gesicht war lang und schmal, eigentlich gutaussehend, mit den deutlich hervortretenden Wangenknochen und den kantigen Zügen, für ihren Geschmack aber zu kalt und grausam. Sie war froh, dass er die Spiegelglasbrille trug, denn ein Gefühl sagte ihr, dass sie ihm lieber nicht in die Augen sehen wollte.
Sie packte Edward und zog ihn an sich. Schmerzliche Erfahrung hatte sie gelehrt, dass sie sich nicht herumschubsen lassen durfte, also meinte sie höhnisch: »Sind das Ihre ganz persönlichen Pinkelbüsche? Haben Sie die gepachtet? Sie wollten Sie selbst benutzen, oder was?«
Sein Mund bewegte sich kaum, als er antwortete. »Das ist mein Grundstück. Verschwinden Sie von hier.«
»Würd ich ja liebend gern, aber mein Auto hat andere Ideen.«
Der Besitzer des Autokinos blickte ohne Interesse auf den zusammengebrochenen Impala. »Da ist ‘n Telefon im Ticketschalter und auch die Nummer von Dealy‘s Autowerkstatt. Halten Sie sich von meinem Grundstück fern, während Sie auf den Abschleppdienst warten.«
Er wandte sich auf dem Absatz um und stapfte davon. Erst nachdem er hinter der riesigen Filmleinwand verschwunden war, ließ sie ihr Kind wieder los.
»Ist schon okay, mein Schatz. Kümmere dich nicht um den. Du hast nichts Falsches gemacht.«
Edwards Gesicht war bleich; seine Unterlippe zitterte. »D-der Mann hat mir angst gemacht.«
Sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar und kämmte die aufgerichtete Haarsträhne zurück. »Ja, das weiß ich, aber er ist bloß ein dummer Pisskopf, und ich war ja da, um dich zu beschützen.«
»Du hast doch gesagt, ich soll nich‘ Pisskopf sagen.«
»Nun, hier handelt es sich um mildernde Umstände.«
»Was sind mildernde Umstände?«
»Das heißt, dass er wirklich ein Pisskopf ist.«
»Ach
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