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Traeum weiter, Mann

Traeum weiter, Mann

Titel: Traeum weiter, Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nebe
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so.«
    Das klingt ein bisschen pampig. Deuters fühlt sich auf der Waldseite viel zu sicher, ärgert sich Gerald.
    »Verstehe, du bleibst lieber anonym. Aber ich bekomme es heraus, verlass dich drauf.«
    Plötzlich steigt in Gerald eine Mischung aus Wut und Neid hoch, weil er der Prominenz von Deuters nichts entgegenzusetzen hat. Gerald hat so etwas nie angestrebt, er hätte den Medien auch nichts Besonderes anzubieten. In den Maklerberuf ist er mehr oder weniger hineingerutscht und macht ihn wirklich gut, gelegentliche Konjunkturdellen mal herausgerechnet. Er denkt sich nichts Neues aus, sondern betritt die berufliche Spielfläche erst wenn jemand Erfolg hat und sich ein Haus leisten kann – Leute wie Deuters zum Beispiel.
    Inzwischen haben sie den höchsten Punkt der Steilküste erreicht. Die Sonne scheint warm und rötlich von Westen auf das Wasser. Ein einzelnes Segelboot mit schneeweißen Segeln nimmt Kurs auf die dänische Insel Lolland, was Gerald verwundert, denn die meisten Boote sind um diese Zeit schon im Winterlager. Er breitet die Arme aus, als gehöre ihm das Panorama persönlich, und schaut Deuters lächelnd an. »Und? Habe ich zuviel versprochen?«
    »Schön«, bestätigt der Schriftsteller tonlos.
    »Schön nennst du das?«, antwortet Gerald mit unüberhörbarer Aggressivität. »Das finde ich gar nicht!«
    Deuters schaut ihn unsicher an.
    »Sondern?«
    Gerald hält ihn am Arm fest: »Es ist nicht einfach nur schön, es ist der Hammer!«
    Er sollte lieber mit Steff hier stehen. Obwohl, wenn sie in der Pension aufgewachsen ist, war sie bestimmt schon Tausende Male hier, auch mit etlichen Kerlen vermutlich, das ist keine besonders originelle Idee. Gerald starrt auf die steile Holztreppe vor ihnen, die bestimmt 30, 40 Meter hinunter zum Strand geht. Einige Stufen sind herausgebrochen, andere lose.
    Wer hier fällt, fällt tief.
    Als sei das nicht sowieso klar, warnt zusätzlich ein amtliches Schild vorm Betreten.
    Gerald rüttelt kräftig am Geländer, das bis nach unten in bedenkliche Schwankungen versetzt wird.
    »Du gehst vor!«, fordert er Deuters auf und stellt sich dicht hinter ihn.
    »Waaas?«, protestiert Deuters und will sich umdrehen, doch Gerald steht direkt hinter ihm wie ein Baum. Und er sieht nicht aus, als ob er Witze machen wollte.

9
Der fliegende Drache

    Mit aufgerissenen Augen starrt Heiner in den endlosen Abgrund. Voller Panik klammert er sich an das im Wind heftig schwankende Geländer. Eine Möwe segelt in einer Sturmböe um ihn herum und lacht ihn höhnisch krächzend aus.
    »Nun geh schon!«
    Heiner sieht in Schönings Gesicht, jetzt nur noch eine kalte, spöttische Maske. Sein breiter Körper versperrt den Weg nach oben.
    »Sag bloß, du hast Schiss?«, faucht ihn der Makler an.
    Heiner schüttelt den Kopf und dreht sich zitternd um. Unten, weit unten kann er sehen, wie die Wellen der stürmischen Ostsee hart auf die Felsen schlagen.
    Soll das etwa das Ende sein? Heiner schwankt. Verzweifelt schließt er die Augen und hat doch das Gefühl, dass sich alles um ihn dreht. Langsam, ganz langsam setzt er den Fuß auf die nächste Stufe – das von der Gischt nasse Holz knarrt – und rutscht aus ...
    Plötzlich wird alles schwarz! Ein brutaler Ruck fährt durch seinen Rücken wie ein von einem schweren Hammer geschlagener Meißel!
    Heiner will schreien, aber der Schmerz ist so intensiv, dass er ihm den Atem nimmt.
    »Was ist los?«, hört er Schöning. Seine Stimme klingt wie Lichtjahre entfernt.
    Heiner öffnet die Augen, zwinkert hilflos, geblendet von der hellen Sonne.
    Schönings breites Gesicht schiebt sich vor die gelbe Scheibe. »Verdammt noch mal, was ist mit dir?«
    Heiners Körper wirkt seltsam verdreht, wie mitten in der Bewegung eingefroren.
    »Hexenschuss«, stammelt er atemlos.
    »Du hast einen Hexenschuss?« Schönings Stimme klingt weniger besorgt als ungläubig.
    Heiner nickt, aber schon diese kleine Bewegung lässt einen neuen Schmerz wie einen Hagel Pfeile durch seinen Rücken schießen. Krampfend greift er nach dem Geländer und hat das Gefühl, es könnte jeden Moment unter ihm zusammenbrechen.
    Was soll er machen? Nach unten kann er nicht, nach oben aber auch nicht, schon die kleinste Bewegung ist unmöglich.
    »O Gott ...«, stammelt Heiner leise und versucht, sich zitternd auf eine Stufe zu setzen, was ihm nur mit Schönings Hilfe gelingt, der ihn mit vorwurfsvoller Miene am Arm festhält. Langsam und laut stöhnend sinkt Heiner auf das morsche

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