Traeum weiter, Mann
zum Heck geht. Gerald lotst Steff in das Selbstbedienungsrestaurant in Fahrtrichtung des Schiffes, das zum Meer hin vollkommen verglast ist.
Es ist total leer hier.
Sie bestellen sich Kaffee, Brötchen mit Krabben und dänischer Marmelade und setzen sich direkt ans Fenster. Schade, dass es zu diesig ist, um viel zu sehen. Nach wenigen Minuten füllt sich der Raum, der EC Paris – Kopenhagen ist in Puttgarden an Bord gerollt, die Reisenden quellen aus dem Bahnhof im Bauch des Schiffes, man hört Deutsch, Dänisch und Französisch.
»Erzähl mal, wie ist denn der Kunde so?«, will Steff wissen.
»Äh ...«
Jetzt muss er improvisieren. Ihm fällt spontan nur ein albernes Pressefoto des IKEA-Gründers Ingvar Kamprad ein.
»Ein skurriler Typ, der am liebsten Strickjacken trägt, auch im Sommer«, sagt er. »Und im Winter trägt er hässliche Wollmützen mit Ohrenklappen. Er fährt einen Volvo aus dem Jahr 1993, obwohl er ernsthaft reich ist.«
Es ist eine Schmierenkomödie, die er hier abzieht, aber jetzt kommt er da nicht mehr raus!
»Wie heißt er überhaupt?«
Zum Glück sind ihm dänische Namen so geläufig, dass ihm schnell einer einfällt.
»Thorben Jensen«, antwortet er.
Steff zückt prompt ihr iPhone und tippt den Namen ein: »Thorben Jensen ...«
Mist.
»Den wirst du im Internet nicht finden, darauf legt er großen Wert.«
Steff staunt. »Und wie macht er dann seine Geschäfte?«
Gerald beißt in ein Krabbenbrötchen.
»Unter mehreren Pseudonymen«, nuschelt er mit vollem Mund.
»Klingt seltsam.«
Gerald schluckt die Krabben hinunter.
»Ach was, das ist ein netter, älterer Herr. Der will Ferienhäuser in Deutschland kaufen.«
Steff wundert sich. »Warum? Es gibt in Dänemark doch mehr als genug Ferienimmobilien.«
»Das musst du ihn fragen.«
Höchste Zeit für einen abrupten Themenwechsel, findet Gerald, bevor er sich in noch mehr Lügen verstrickt!
»Warst du schon mal in Kopenhagen?«
»Ja, klar, öfter, als Kind. Tolle Stadt. Obwohl ich Städte gerade total satt habe, nach dem Dreivierteljahr in Sydney.«
»Du sollst ja nicht hinziehen.«
Steff lacht und bringt ihm ein wenig Dänisch bei, vor allem nutzloses Zeugs, sie schreibt ihm etwas auf die Serviette, was Gerald komplett falsch ausspricht: »Rød grøl med piskefløde.«
»Röl gröl mel piskeflöl«, korrigiert ihn Steff lachend. Sie hat sich sehr auf den Tag mit ihm gefreut, das zeigt sie ihm immer deutlicher.
»Was heißt das?«
»Rote Grütze mit Schlagsahne.«
»Und damit komme ich in Dänemark überall durch?«
Nach einer knappen Stunde gehen sie hinunter in den Bauch des Schiffes auf das Eisenbahndeck und besteigen den Zug. Als sie in Rødby von Bord rollen, sind es bis Kopenhagen nur noch zwei Stunden. Selbst bei diesem diesigen Wetter kommt ihnen das Licht sehr viel nördlicher vor. Aufgeräumte, saubere dänische Städte rollen vorbei, weite Felder und herbstliche Wälder, deren Geruch man vom Großraumabteil erahnen kann. Zum Glück hat er das Hotel schon gebucht.
Fehlt nur noch der Kunde – aber der wird sich finden!
Der Eurocity aus Paris rollt pünktlich in Københavns Hovedbanegård ein. Der Bahnhof stammt aus der vorletzten Jahrhundertwende und sieht mit seinen Backsteintürmen und Holzbalken aus wie eine protestantische Kathedrale. Auf dem Vorplatz herrscht das übliche Gewusel wie vor allen Bahnhöfen. Die Taxis in Kopenhagen sind dunkelblau, viele Werbeaufschriften zeigen Buchstaben, die es nur hier gibt, wie das »Ø«. Das gibt einem wirklich das Gefühl, ganz woanders zu sein. Und dass man hier mit dänischen Kronen und nicht mit Euro bezahlt, ist zwar umständlich, verstärkt dieses Gefühl aber noch.
Ihr Hotel liegt um die Ecke vom Bahnhof. Gerald ist den Weg in der Nacht zuvor mit Google Street View im Internet mehrmals abgegangen. Das »Scandic Webers« ist ein alter Hotelkomplex aus der Gründerzeit mit weißen Ornamenten an der Fassade. Steff ist schwer beeindruckt, denn innen betritt man einen dänischen Design-Tempel.
»Die Freischwinger-Stühle im Frühstücksraum stammen von einem Schüler Arne Jacobsens«, weiß Gerald aus dem Internet.
»Arne Jacobsen, ist das der mit den Märchen?«
»Mmh, er war eher Designer. Vielleicht kennst du vielleicht seine Sessel ›Das Ei‹ und ›Der Schwan‹.«
Steff lacht.
»Das Ei? Nie gehört! – Ist das jetzt peinlich?«
Es ist ihr ganz offensichtlich kein bisschen peinlich, Gerald steht da wie der letzte Klugscheißer.
»Ich kenne den
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