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Traeum weiter, Mann

Traeum weiter, Mann

Titel: Traeum weiter, Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nebe
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auch nur, weil ein Kunde von mir sein Bauernhaus mit dänischen Designermöbeln eingerichtet hatte.«
    »Er ist also teuer.«
    »Na, klar.«
    Im Zimmer wirft Gerald seinen Lederrucksack aufs Bett mit der grauen Überdecke. Es gibt hinter dem Bett helles lackiertes Holz und darüber ein rechteckiges abstraktes Bild mit orangenen und roten Kreisen, neben dem Flachbildfernseher befindet sich eine längliche weiße Wandlampe. Wenn er ehrlich ist, kann er nicht erkennen, was das besondere Design sein soll, das den irren Preis rechtfertigen soll.
    Wenigstens gefällt es Steff!
    Er eilt zurück in die Lounge, wo er sein Tweed-Jackett abstreift und sich in einen Designer-Sessel fläzt, der zum Glück bequemer ist, als er aussieht. Steff kommt mit ihrer dunkelblauen Business-Uniform nach wenigen Minuten lächelnd auf ihn zu, sie könnte genauso gut eine Dänin sein. Gerald steht auf und zieht sich sein Jackett über.
    Langsam wird er etwas ruhiger.
    Steff ist bei ihm, er muss nichts überstürzen.
    »Und? Wie ist es?«, erkundigt er sich.
    »Irgendwie trashig«, sagt sie lächelnd. »Auf jeden Fall mal was anderes.«
    Gerald ist erleichtert.
    »Wann ruft Thorben Jensen an?«, erkundigt sich Steff.
    Sie hat sich den Namen des Kunden selbstverständlich gemerkt, was sehr professionell ist. Und andererseits total sinnlos ...
    »Keine Ahnung, auf jeden Fall heute noch.«
    Steff schaut auf ihre Uhr, es ist halb eins.
    »Dann haben wir ja Zeit.«
    Die beiden verlassen das »Scandic Webers«. Der Verkehr auf der vierspurigen Vesterbrogade ist unglaublich laut, sie müssen sehr laut reden, um sich überhaupt verstehen zu können. So gesehen wäre ein Spaziergang an der Steilküste schöner gewesen, sie fühlen sich hier beide nicht besonders wohl. Schließlich landen sie im Ørstedsparken, einem alten großen Park mit riesigen Laubbäumen und einem riesigen Teich in der Mitte. Hier fühlt man sich nicht nur weit weg von der Stadt, sondern weit weg von diesem Jahrhundert. Der älteste Baum hier ist laut Schild 220 Jahre alt. Sie setzen sich auf eine Bank direkt vor dem großen Teich, die sich beim näheren Hinsehen allerdings als ziemlich vermoost erweist. Gerald sammelt etwas Schilf und legt es auf die Sitzfläche, damit ihre Klamotten nicht dreckig werden. Kurz danach bricht die Sonne durch und beleuchtet die Herbstblätter, die hier schon viel gelber, brauner und bunter sind als in Deutschland.
    »In der Sonne sind die Temperaturen fast wie im Sommer«, behauptet Gerald, den allein die Anwesenheit von Steff auf Betriebstemperatur hält.
    »Ja«, antwortet Steff und rückt fast auf Tuchfühlung an ihn heran, um sich etwas zu wärmen. Sie schließt die Augen und lächelt in die Sonne. Gerald überlegt, ob er schützend den Arm um sie legen soll, aber das traut er sich noch nicht.
    »Geht dir das auch so, dass du jedes Gedicht behalten hast, das ihr in der Schule lernen musstet?«, fragt Steff.
    Um Himmels willen, Geralds Baustellen sind allein seine Baustellen, Gedichte kommen da so gar nicht vor!
    »Kannst du noch eins auswendig?«, fragt er.
    »Ich kann nur ein megaberühmtes, aber das passt sogar.«
    »Komm schon ...«, bittet Gerald neugierig. Wie passt das?
    »Also gut ... ›Herbsttag‹ von Rainer Maria Rilke.«
    Gerald schaut aufs Wasser, das von der Sonne beleuchtet wird, Steff wird ganz ernst und ihre Stimme ganz voll:
    »Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
    Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
    und auf den Fluren laß die Winde los.
    Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
    gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
    dränge sie zur Vollendung hin und jage
    die letzte Süße in den schweren Wein.
    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.«
    Gerald muss schlucken. »Das war unglaublich schön.«
    »Kennt natürlich jeder ...«
    »Das macht doch nichts.«
    Tatsächlich hat Gerald von diesem Gedicht noch nie gehört. Er hofft, dass Steff ihn nicht nach seinen Lieblingsversen fragt, da würde ihm außer ein paar versauten Schüttelreimen nichts einfallen.
    Sein Handy klingelt.
    Er schaut auf die Uhr, steht auf und geht ein paar Schritte von der Bank weg. Sein alter Freund Burki ist dran, ein alter Kumpel aus Lübeck.
    »Moin, Alter«, kommt es aus dem Hörer.
    Gerald schaltet schnell.
    »Good Morning Mrs. Pederson«, säuselt Gerald

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